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NRW Jusos – Magazin

08. Mai 2025

Generation Z auf dem Arbeitsmarkt

Die Debatte um die Generation Z ist oft von einer Mischung aus Unverständnis, Verunsicherung und spöttischem Augenrollen geprägt. In Talkshows und Leitartikeln hört man immer wieder das gleiche Narrativ: Die jungen Menschen seien faul, wenig belastbar, hätten keine Lust auf Leistung und würden
lieber mit einem Iced Coffee zu Hause sitzen, als sich in die harte Realität des Arbeitsmarkts zu stürzen. Besonders seit der Corona-Pandemie hat sich dieses Bild verfestigt – aber es war immer schon ein Trugschluss. Denn was hier als Faulheit interpretiert wird, ist in Wirklichkeit ein radikales Hinterfragen eines Arbeitsmodells, das für viele längst nicht mehr in der Form funktioniert.

Die Generation Z ist die erste, die von Anfang an mit den Krisen der Gegenwart groß geworden ist: Klimawandel, wirtschaftliche Unsicherheit, Pandemie, Krieg in Europa und die ständige Bedrohung durch psychische Überlastung. Sie weiß, dass es kein „Zurück zur Normalität“ geben wird, weil es diese Normalität eben für sie nie gegeben hat. Und sie zieht daraus Konsequenzen: Sie will arbeiten, ja, aber nicht unter Bedingungen, die sie letztendlich krank machen.

Entgegen dem verbreiteten Klischee ist die Generation Z nicht arbeitsscheu. Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2024 zeigt, dass die Erwerbsbeteiligung der 20- bis 24-Jährigen in Deutschland auf dem höchsten Stand seit Jahrzehnten liegt.
Rund 76 Prozent dieser Altersgruppe sind erwerbstätig. Ein deutliches Zeichen dafür, dass junge Menschen sehr wohl arbeiten wollen. Auffällig ist dabei, dass immer mehr Studierende neben ihrem Studium einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen. Nicht, weil sie „Erfahrung sammeln“ oder „auf eigenen
Beinen stehen“ wollen, sondern schlicht, weil sie sich ihr Leben sonst nicht leisten können. Der BAföG-Höchstsatz reicht in vielen Städten kaum für Miete und Lebenshaltungskosten, von sozialen Aktivitäten oder Rücklagen ganz zu schweigen.

Tatsächlich zeigt sich, dass fast zwei Drittel aller Studierenden mittlerweile einen Nebenjob haben und das nicht erst in den Semesterferien, sondern das ganze Jahr über. Oft arbeiten sie in der Gastronomie, im Einzelhandel oder in anderen, oft prekären Beschäftigungsverhältnissen. Dabei kämpfen sie mit unsicheren Verträgen, unregelmäßigen Arbeitszeiten und schlechten Löhnen. Und dann sollen sie sich anhören, sie seien faul? Die Realität sieht anders aus: Diese jungen Menschen leisten viel – nur wird ihre Arbeit häufig unsichtbar gemacht oder abgewertet.

Was viele konservative Stimmen als Faulheit oder mangelnde Leistungsbereitschaft bezeichnen, ist in Wahrheit Ausdruck eines neuen, reflektierten Arbeitsverständnisses. Die Generation Z sieht Arbeit nicht als Selbstzweck, sondern als Teil eines größeren Ganzen. Laut einer Studie des Top Employers Institute aus dem Jahr 2024 geben über 80 Prozent der Befragten an, dass sie flexible Arbeitszeiten und eine gesunde Work-Life-Balance für entscheidend halten. Für 83 Prozent ist es wichtig, dass Arbeitgeber*innen
Verantwortung für die psychische Gesundheit ihrer Angestellten übernehmen. Und 62 Prozent der Befragten wären sogar bereit, auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten, wenn sie dafür ein Arbeitsumfeld bekommen, das sie nicht krank macht.

Das ist keine Kapitulation vor der Arbeitswelt – es ist eine klare Haltung. Eine Absage an die alte Ideologie des „Hustle“, die besagt, dass nur wer leidet auch etwas erreicht. Die Gen Z durchbricht diesen Mythos. Sie weiß, dass Burnout keine Medaille ist und dass Selbstaufopferung für einen Job kein Ehrenzeichen, sondern ein Warnsignal ist. Sie verlangt Respekt, Beteiligung und gesunde Strukturen und sie ist nicht bereit, dieses Arbeitsmodell für sich so hinzunehmen. Das ist nicht bequem, das ist politisch.

Ein zentrales Merkmal der Generation Z ist ihr Bedürfnis nach Sinn. Junge Menschen wollen nicht einfach nur einen Job, sie wollen mit ihrer Arbeit etwas bewegen. In einer Welt, die sich in rasender Geschwindigkeit verändert, möchten sie Teil einer positiven Entwicklung sein. Das bedeutet: Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung sind für sie keine Nebensächlichkeiten, sondern Grundpfeiler ihrer beruflichen Entscheidungen.

Der Arbeitsmarkt steht vor enormen Umbrüchen. Digitalisierung, Automatisierung und die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft. Viele der Berufe, die heute noch existieren, werden in zehn Jahren verschwunden oder radikal verändert sein. Gleichzeitig fehlen in vielen Branchen Fachkräfte. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) werden bis 2030 mehr als fünf Millionen Erwerbstätige altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Unternehmen klagen schon jetzt über unbesetzte Stellen, besonders im sozialen, technischen und handwerklichen Bereich.

Statt also die Generation Z bloß zu kritisieren, sollten man sich fragen: Was braucht sie, um sich einbringen zu können? Was muss sich an Arbeitsbedingungen, an Bildung, an Unternehmensstrukturen verändern, damit junge Menschen nicht frustriert sind von der Arbeit oder sich ausbrennen lassen? Die Antworten liegen auf der Hand: bessere Bezahlung, kürzere Arbeitszeiten, faire Ausbildungschancen, mehr Mitbestimmung.

Als Jungsozialist*innen sind wir auch Teil der Generation Z – und beileibe keine Gefahr für den Arbeitsmarkt. Wir sind viel mehr eine Generation, die sagt: Ich arbeite nicht nur, um zu überleben, sondern um etwas zu gestalten. Eine Generation, die nicht in autoritären Strukturen verharrt, sondern auf Kooperation, Teamarbeit und Offenheit setzt. Eine Generation, die sich mit Klima, Gerechtigkeit, Digitalisierung und sozialer Verantwortung auseinandersetzt und die bereit ist, dafür auch unbequeme Fragen zu stellen.

Wir fordern deshalb: eine Ausbildungs- und Studienvergütung, die zum Leben reicht. Ein elternunabhängiges BAföG, das diesen Namen verdient. Eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn, weil es nicht sein kann, dass Produktivitätsgewinne nur den Konzernen zugutekommen, und flächendeckende Tarifbindung. Sowie endlich ernsthafte Investitionen in psychische Gesundheitsangebote – in Bildungseinrichtungen wie am Arbeitsplatz.

Die Wahrheit ist: Die Generation Z ist nicht faul, sie ist wach. Sie ist nicht illoyal, sondern kritisch. Sie ist nicht arbeitsunwillig, sondern anspruchsvoll – und das ist gut so. Denn wenn junge Menschen keine Ansprüche mehr haben, keine Forderungen stellen, keine Utopien formulieren, dann ist nicht die Jugend
das Problem – sondern die Gesellschaft.

Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen: Klimakrise, soziale Spaltung, digitale Transformation, geopolitische Unsicherheit. Um all das zu bewältigen, brauchen wir nicht mehr Anpassung, sondern mehr Widerstand. Mehr Mut, Dinge neu zu denken. Mehr Menschen, die sich weigern, einfach so weiterzumachen. Die Generation Z bringt genau diesen Geist mit. Nicht perfekt, nicht einheitlich, aber kraftvoll.


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