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NRW Jusos – Magazin

12. September 2024

Alles auf Rot

Als einer dieser engagierten jungen Menschen kandidiere ich im Thüringer Norden, im Eichsfeld – im Dreiländereck zwischen Niedersachen, Hessen und Thüringen. Das ist eine – für den Osten sehr ungewöhnlich – stark katholisch geprägte Region. Zudem handelt es sich um ländlichen Raum in Reinform: In meinem Wahlkreis befindet sich exakt eine Stadt und insgesamt 80 kleinere und kleinstmögliche Dörfer und Gemeinden. Seit 1990 regiert hier die CDU – andere Parteien, wie auch die SPD, führen teils ein Schattendasein. In der Folge treten hier linke und progressive Ideen oder die Perspektiven junger Menschen kaum in Erscheinung.


Ich will genau hier – abseits von sozialdemokratischem Kernland – Präsenz zeigen und ein solidarisches Kontrastprogramm anbieten.

Das zu ändern war mein Anspruch. Ich will genau hier – abseits von sozialdemokratischem Kernland – Präsenz zeigen und ein solidarisches Kontrastprogramm anbieten. Zudem hatten mich die Jusos im vergangenen Jahr zu ihrem Spitzenkandidaten für die Thüringer Landtagswahlen erkoren. Ich selbst war zuvor Landesvorsitzender der Jusos Thüringen und darf mittlerweile u.a. die ostdeutschen Perspektiven im Juso-Bundesvorstand einbringen.

Im Landtagswahlkampf streite ich besonders für echte Chancengerechtigkeit – ein Thema, das ganz viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene betrifft. Denn noch immer bestimmt das Portemonnaie der Eltern, welche Möglichkeiten und Perspektiven junge Menschen haben oder bekommen. Für mich ist es ein sehr zentrales Anliegen, diesen Missstand zu beseitigen. Vor 13 Jahren bin ich als Kind einer Arbeiter:innenfamilie, das selbst die Auswirkungen von Hartz IV zu spüren bekommen hat, den Jusos und der SPD beigetreten, um mich dafür zu engagieren.

Auch heute – an den Infoständen, Haustüren, Gartenzäunen oder in den Diskussionsveranstaltungen oder einfach im Gespräch auf der Straße – sind es zumeist die sozioökonomischen Themen, die die Menschen beschäftigen: Inflation, niedrige Löhne, mangelhafte Daseinsvorsorge. Dafür haben wir einige Vorschläge und ganz konkrete Ideen: kostenloses Mittagessen in Kindergarten und Schule, eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie, eine Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum, ein Jugendticket für alle jungen Menschen und und und.

Aber zur Ehrlichkeit gehört auch, etliche Menschen haben Angst vor Krieg und sind vehement gegen Waffenlieferungen an die Ukraine oder gegen die Sanktionen gegen den Aggressor Russland. Nicht wenige verbinden die internationale Politik oder die Bundesebene inkl. Kanzler und Ampelregierung mit ihrer Entscheidung in Thüringen. Das bringt – wenig überraschend – keinen Rückenwind für diese wichtigen Wahlen im Osten.

Hoffnung und Mut machen dann manchmal die unerwarteten Begegnungen und Gespräche.

Direkt am Briefkasten in einem Wohnblock mitten im Nirgendwo, bei der Kirmesveranstaltung zwischen zwei Kaltgetränken oder die ehrliche Freude über den Besuch in einem Ort, der wahrscheinlich schon seit Jahren keine politische Präsenz mehr erfahren hat. Besonders die spannenden Lebensgeschichten, die mir erzählt werden, zeigen hautnah, wie wichtig das ganze Engagement für soziale Politik ist und dass es sich lohnt, so viel Zeit und Ressourcen in den Wahlkampf zu stecken.

Dabei ist klar: ohne die Unterstützung ganz vieler Jusos und Genoss:innen aus anderen Teilen unseres Verbandes wäre dieser Wahlkampf kaum zu stemmen.

Ich selbst durfte mich bereits über Hilfe aus Bayern, Berlin, Hessen, NRW und Sachsen-Anhalt freuen. An dieser Stelle möchte ich daher stellvertretend für alle Juso-Wahlkämpfer:innen in Thüringen sagen: Vielen lieben Dank für euren großartigen Einsatz, für die wichtige Hilfe und für die Umstände, die ihr auf euch nehmt, um uns zu unterstützen!

Zum Redaktionsschluss (zwei Wochen vor der Wahl) sehen die Umfragen für das, was am 1. September in Thüringen rauskommt, düster aus. Trotz engagiertem Wahlkampf vieler Genoss:innen steuert die faschistoide AfD mit ihrem Schattenführer Höcke auf ein Ergebnis von 30 Prozent zu. Das würde möglicherweise eine Sperrminorität bedeuten (d.h. die AfD könnte wichtige Beschlüsse im Landtag verhindern). Dahinter kommt entweder die CDU, die den Blau-Braunen in vielerlei Hinsicht hinterherläuft, oder das Bündnis Sahra Wagenknecht, wenngleich niemand so genau sagen kann, wofür die eigentlich stehen und ob das, was sie sagen, eine Aussagekraft hat, wenn die Namensgeberin etwas anderes im Sinn hat. Als SPD kämpfen wir um nicht weniger als um das politische Überleben: Die Umfragen sehen uns bei 6 bis 7 Prozent. Deshalb werfen wir in den letzten zwei Wochen nochmal alles in die Waagschale, damit es auch künftig sozialdemokratische Politik in Thüringen geben kann. Ausgang offen.


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