NRW Jusos – Blog
Arbeit und Europa – Mitbestimmung in der Transformation
Unsere Arbeitswelt befindet sich im ständigen Wandel – und das nicht erst seit ChatGPT und künstlicher Intelligenz. Die aktuelle Zeit ist vor allem durch Wandel geprägt. Mit dem Klimawandel geht auch ein Wandel der Arbeitswelt einher. Transformation ist das Stichwort, unter dem häufig über den sozial-ökologischen Umbau unserer Arbeitswelt diskutiert wird. Die notwendigen Veränderungen können jedoch nicht auf Kosten der Beschäftigten umgesetzt und deshalb nur mitbestimmt und demokratisch durchgeführt werden.
Das sind alleine 490.000 Arbeitsplätze in NRW. Die Europäische Union spielt also eine zentrale Rolle darin, auch in Zeiten sinkender Tarifbindung[1] für einen Wandel im Sinne der Beschäftigten und des Klimas zu sorgen.
„Wer mit der Brechstange droht, wird den Stahlhammer spüren!“
Das Beispiel Thyssenkrupp zeigt wie kein anderes, dass die ökologische Transformation von Industrie nicht immer auch sozial sein muss. Erst am Donnerstag gingen 4.5000 Demonstrant*innen vor dem pompösen, gläsernen Konzernsitz Thyssenkrupps in Essen auf die Straße. Trotz kürzlich erhaltener staatlicher Förderungen in Höhe von 2 Milliarden Euro für die Produktion von „Grünem Stahl“ hat sich die Arbeitsgeber*innenseite des Aufsichtsrates dazu entschieden, die Stahlsparte, die allein am Standort Duisburg 13.000 Stellen umfasst, zu 20 Prozent zu verkaufen. Bei dieser Entscheidung wurde das Votum der Arbeitnehmer*innenseite des Aufsichtsrates missachtet und die Sozialpartnerschaft[2] mit Füßen getreten.
So kann der Verkauf der Stahlsparte zum Abbau tausender Arbeitsplätze führen. Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung kritisiert dieses Vorgehen zutiefst und macht deutlich, dass mit den kürzlich erhaltenen staatlichen Subventionen in Höhe von 700 Millionen Euro – um Stahl mit Wasserstoff herstellen zu können (“Grüner Stahl”) – eben auch der Erhalt der Arbeitsplätze einher gehen müsse. Eines muss ganz klar sein: nationale und internationale staatliche Investitionen in die Transformationen müssen immer an den Erhalt der Arbeitsplätze gekoppelt sein!
Doch die Einhaltung sozialpartnerschaftlicher Mindeststandards fängt schon vor dem möglichen Stellenabbau an: europäische Vergaberichtlinien müssen modifiziert werden, damit öffentliche Aufträge ausschließlich an Unternehmen gehen, die einen Tarifvertrag haben! Schluss mit Tarifflucht, Tariftreueklausel[3] für die EU!
Brecht den Konzernen die Gräten, alle Macht den (Betriebs-)Räten!
Tarifautonomie[4], Betriebsverfassung[5] und Unternehmensmitbestimmung sind Kernelemente demokratischer Einflussnahme in der Arbeitswelt. Für die Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sind diese Elemente von zentraler Bedeutung – denn durch sie können bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen erkämpft werden.
Doch die Tarifbindung sinkt seit Jahren vielerorts. Wo Deutschland einst Vorreiter in Sachen Tarifbindung (bei ca. 80 Prozent) war, ist jetzt nur noch wenig davon übrig (aktuell bei ca. 50 Prozent). Die Folgen dieser Entwicklung spüren die Beschäftigten deutlich: So hat eine Studie des WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung) ergeben, dass Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben wöchentlich 53 Minuten länger arbeiten, aber trotzdem rund 10% weniger verdienen. Ihnen fehlt somit ein ganzes Monatsgehalt im Jahr gegenüber Beschäftigten in Betrieben mit Tarifvertrag. Die Verbreitung globaler Großkonzerne spielt dabei eine wesentliche Rolle, denn gerade auf europäischer Ebene wird oft über die Mitbestimmung hinweggesehen. Dabei sind europäische Betriebsräte ein hochgradig effektives Instrument, um in international agierenden Großkonzernen für Mitbestimmung über nationalstaatliche Grenzen hinaus zu garantieren. So lassen sich Beschäftigte nicht durch Drohungen der Arbeitgeber*innen über Standortverlagerungen oder Schließungen aus der Fassung bringen und in schlechte Arbeitsbedingungen zwingen – sie bestimmen aktiv über die Zukunft ihres Betriebs mit!
Gute Arbeit? Besser mit Europa!
Die Europäische Union schafft armutsfeste Mindestlöhne und vergleichbare Standards in allen Mitgliedstaaten. Sie fordert eine Tarifbindung von mindestens 80 Prozent und wacht über die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt. Die EU sorgt für bessere Arbeitsbedingungen, denn sie begrenzt die Wochenarbeitszeit und baut die Ansprüche auf Ruhezeiten und bezahlten Urlaub aus. Gute Arbeit? Ist schon besser mit Europa – aber es ist noch viel zu holen!
[1] Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, bzw. deren Vertretungen.
[2] Tarifbindung heißt, dass Arbeitgeber*innen und die für deine Branche zuständige Gewerkschaft Tarifverträge abschließen.
[3] Verpflichtung, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nur Unternehmen zu berücksichtigen, die ihre Angestellten nach Tarif entlohnen
[4] Freiheit von Gewerkschaften und Arbeitgebern, die Arbeitsbedingungen ohne staatliches Eingreifen zu regeln
[5] Ordnung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber*innen und der von den Arbeitnehmer*innen gewählten Interessensvertretung, z.B. Betriebsrat