NRW Jusos – Magazin
Die US-Wahl 2024
Von Faschisten und Kokosnüssen
Was seit Jahren befürchtet wurde, ist nun am 5. November eingetreten. Donald Trump wurde wieder zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt.
Nachdem er in seiner ersten Amtszeit eine zunehmend autoritäre und rückwärtsgewandte Politik hinsichtlich der Rechte von Frauen, queeren Menschen und Migrantinnen betrieben hat. Nachdem er den Supreme Court mit konservativen Richterinnen besetzt hat, die das Recht auf Abtreibung eingeschränkt haben, Kinder von Migrantinnen an der Grenze in Käfige hat sperren lassen, Aufmärsche von Rechtsextremen im ganzen Land befeuert hat, in der Coronapandemie mit seiner Politik dazu beigetragen hat, dass 1,2 Millionen Menschen an dem Virus sterben, und in den letzten Tagen seiner Präsidentschaft seine Anhängerinnen ermutigt hat, das US-Kapitol zu stürmen. Was heißt seine Wahl für die USA und uns in Deutschland und Europa? Und was können wir als Linke und Progressive aus dieser Wahl lernen?
Were you ready for it?
Zur Wahl stand ebenso die ehemalige Bezirksanwältin von San Francisco, Justizministerin von Kalifornien, Senatorin und Joe Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris. Währenddessen war ihr Gegenkandidat der mehrfach angeklagte und wegen Schweigegeldzahlungen verurteilte Donald Trump. Während Harris ihre Identität als Frau mit Migrationsgeschichte nie zentral zum Wahlkampfthema machte, war für Trump und seine Anhänger*innen glasklar, dass sie es nur deswegen oder aufgrund ihres Geschlechts so weit geschafft hätte, nicht etwa wegen ihrer Leistungen. Das ist lustig, weil Trump bereits als Millionärssohn geboren wurde und sich sein Einkommen nie selbst erarbeiten musste.
It’s the economy, stupid
Guckt man sich die Wahlergebnisse getrennt nach Einkommensklassen an, haben vor allem durchschnittlich Verdienende Trump gewählt. Auch mit Blick auf die Ergebnisse im „Rust Belt”, dem ehemaligen Herz der amerikanischen Industrie mit einer traditionsreichen Arbeiter*innenbewegung wird deutlich: wahlentscheidende Themen waren Wirtschaft und Arbeitsplätze. Was wir in Deutschland mit der AfD bereits sehen, zeigt sich auch hier. Wo in den letzten Jahrzehnten Arbeitsplätze wegfielen und ins Ausland verlagert wurden, da ist Trump recht erfolgreich.
Doch wie steht es um die amerikanische Wirtschaft? Die Politik von Joe Biden gehört mit zu den arbeitnehmerinnenfreundlichsten in der neueren US-Geschichte. Durch Investitionen von 400 Milliarden Dollar in die eigene Wirtschaft, vor allem in nachhaltige Industrien wie Elektromobilität und Wasserstoffproduktion, konnten Arbeitsplätze gesichert und die Energiepreise niedrig gehalten werden. Enthalten waren auch Preisdeckel, etwa für verschreibungspflichtige Medikamente. Die Inflation ist in den letzten Monaten kontinuierlich gesunken, insbesondere Lebensmittelpreise bleiben aber auf einem hohen Niveau. Dadurch haben immer mehr Amerikanerinnen Schwierigkeiten, sich auch nur grundlegende Lebensmittel zu leisten. Bidens Politik ist dafür nicht verantwortlich und er hat versucht, dieser Entwicklung mit verschiedensten Mitteln entgegenzuwirken, doch im Gegensatz zu Trump gibt er nicht vor, auf jedes Problem eine einfache Antwort zu haben.
Migration und die US-Wahlen: Ein Warnsignal für Februar?
Die Präsidentschaftswahlen zeigen einmal mehr, wie Migration als Wahlkampfthema Gesellschaften spalten und Wahlentscheidungen prägen kann. Donald Trump setzt auf eine restriktive Migrationspolitik, die bei konservativen Wähler*innen, aber auch in Teilen der Latino-Community, erfolgreich war. Seine klare Haltung zur Grenzsicherheit und sein Versprechen, illegale Einwanderung weiter zu reduzieren, mobilisierten seine Basis effektiv.
Kamala Harris stand vor der Herausforderung, eine friedliche und vor allem humane Migrationspolitik mit den Sorgen vieler Wählerinnen zu vereinen. Bei einem Besuch an der Grenze zu Mexiko sagte sie, dass sie als Präsidentin die Hoheit der Nation schützen, die Grenzen sichern und das Einwanderungssystem reformieren möchte. Während Harris laut Umfragen beim Thema Migration hinten lag, nutzte Trump das Thema, um weiter gegen Geflüchtete zu hetzen. Er setzte dabei auf eine altbewährte Taktik: Nationalismus. Seine klaren Botschaften, wie die Wiederaufnahme des Baus einer Grenzmauer und härtere Maßnahmen gegen Asylbewerberinnen, boten einfache Antworten auf komplexe Probleme. Sätze von Trump wie: “They’re eating the dogs“ erschütterten Demokrat*innen weltweit. Mit einer Mehrheit im Senat und Repräsentatenhaus hat Trump nun freie Hand, seine Grenzpolitik weiter zu intensivieren.
Was heißt das für uns?
Für die Welt heißt eine erneute Präsidentschaft Trumps weitere vier Jahre Unberechenbarkeit. In Europa sollten wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass die USA in mindestens den nächsten vier Jahren ein verlässlicher Verbündeter sein werden. Er hat bereits angekündigt, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu beschränken. Sein Friedensplan für die Ukraine wird aus noch mehr toten Zivilist*innen bestehen. Es ist auch ein Signal an Putin, dass am Ende eben doch das Recht des Stärkeren gilt.
Für die europäischen Regierungen sollte ein Sieg Trumps also der letzte Wink mit dem Zaunpfahl sein, sich verteidigungspolitisch nicht länger auf die USA zu verlassen und ihre Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen. Dass die Sicherheit Europas erneut von wenigen Hunderttausend Stimmen in Pennsylvania, Michigan und Wisconsin abhängig ist, hätte schon längst verhindert werden können. Wir müssen selbstkritisch sein und eingestehen, dass wir zu lange geschlafen haben.
In Deutschland sollten wir uns in dieser Debatte davor hüten, Militärausgaben gegen Sozialausgaben aufzuwiegen. Wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt – wir können beides finanzieren. Bereits in der letzten Präsidentschaft haben wir gesehen, wie ausgehend von den USA rechtsradikale Parteien und Bewegungen gefördert wurden – darunter eben auch die AfD. Das muss ein Anstoß sein, unsere Demokratie besser vor rechten Umtrieben zu schützen.
Zu den Autor*innen:
Joshua (22) existiert in einem Kontext und war die letzten Monate in einem Rabbit Hole zur US-Wahl gefangen. Kamala Harris war lange sein Handy-Hintergrund.
Aylin (18) hat die letzten Monate so viel zu den US-Wahlen gelernt, dass sie jetzt das Gefühl hat, mehr über Kamala Harris zu wissen als über ihre bevorstehende BGB AT Prüfung. Sie fragt sich, ob das noch politisches Interesse oder einfach nur der Wunsch nach einer besseren Wahl ist.