NRW Jusos – Blog

Hilfe! Ich finde keine Wohnung und meine Landesregierung tut nichts.
Ein Meinungsbeitrag von Robin Busch:
Wohnen ist eine der größten sozialen Fragen unserer Zeit. Insbesondere in NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands, und erst recht bei jungen Menschen bestimmt die Frage nach bezahlbarem Wohnraum den Alltag. Die Mieten steigen und steigen und der Traum vom Eigenheim rückt für die meisten unserer Generation in unerreichbare Ferne.
Was ist los in NRW?
Die Knappheit von bezahlbarem Wohnraum hat dabei mehrere Gründe, die nicht ganz offensichtlich sind. Denn obwohl die Bevölkerungsentwicklung in NRW seit einigen Jahren stagniert und für die nächsten Jahre sogar ein Bevölkerungsrückgang prognostiziert wird, scheint die Krise auf dem Wohnungsmarkt nicht zu verschwinden, sondern sich eher noch zu verschlimmern. Unter der Oberfläche wirken dabei zwei verschiedene, große Effekte, die den Wohnungsmarkt schon seit langem unter Druck setzen: Erstens sorgt der demografische Wandel, kombiniert mit einer großen Versorgungslücke im Bereich des altersgerechten Wohnens, dafür, dass immer mehr alte Menschen alleine in ihren Wohnungen leben, obwohl diese eigentlich zu groß geworden sind. In vielen Gegenden NRWs ist es keine Seltenheit, dass Senior*innen nach dem Tod ihres Partners oder ihrer Partnerin alleine in einem Einfamilienhaus wohnen, während Familien in derselben Stadt keinen adäquaten Wohnraum finden. Das Hauptproblem hier ist also eher die Verteilung von Wohnraum, nicht dessen Mangel.
Zweitens nimmt die Zahl der Single-Haushalte in NRW seit Jahren kontinuierlich zu. Obwohl die Bevölkerung als Ganzes nicht wächst, nimmt die Zahl der Privathaushalte stark zu. Wenn man jetzt noch mit einbezieht, dass kleine Haushalte, d.h. Ein- bis Zweipersonenhaushalte, pro Kopf die meiste Wohnfläche beanspruchen, wird deutlich, welche erheblichen Auswirkungen diese Bevölkerungsverteilung auf den Wohnungsmarkt hat.
Stadt, Land, Wohnungsnot
Besonders schwierig ist die Situation in den großen Städten NRWs, die eine hohe wirtschaftliche Dynamik vorweisen können. Städte wie Bonn, Köln, Düsseldorf oder Münster ziehen viele Menschen an und haben die höchsten Bevölkerungswachstumsraten in NRW.Gleichzeitig ist dort das Bauen aufgrund der hohen Grundstückspreise besonders teuer, sodass sich kaum Privatpersonen am Bau von neuen Wohnungen beteiligen. In diesen Städten, sowie dem dicht besiedelten Ruhrgebiet, entfallen laut NRW Bank über die Hälfte der Baugenehmigungen auf Wohnungsunternehmen, wobei dieser Anteil in den ländlich geprägten Regionen NRWs bei weniger als 20% liegt. Es sind auch diese Städte, in denen große Unternehmen, die gute Löhne zahlen, dafür sorgen, dass einkommensschwache Mieter*innen an den Rand gedrängt werden.
Wie man dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum begegnen sollte, unterscheidet sich je nach Region stark. Während in den Großstädten, die auch in den nächsten Jahren mit starkem Zuzug rechnen, der Bedarf an neuen Wohnungen in großer Zahl außer Frage steht und sich die politische Diskussion eher um die Frage dreht, wie und wo diese entstehen sollen, kommt es in Gegenden wie dem Sauerland, wo ein Bevölkerungsrückgang prognostiziert wird, eher darauf an, den vorhandenen Wohnraum gezielt umzubauen oder durch demografie-gerechte Wohnungen zu ersetzen. Für ganz NRW schätzt die NRW-Bank den Bedarf an neuen Wohnungen in den nächsten fünf Jahren auf bis zu 42.000.
In den Städten häufen sich die Probleme des modernen Bauens. Zum einen ist es dort aufwendig, geeignete Baugrundstücke zu finden, denn jedes gebaute Haus trägt direkt zum ohnehin problematischen Flächenverbrauch und zur weiteren Versiegelung der Städte mit all seinen Folgen für das Stadtklima und die Extremwetter-Resistenz bei. Außerdem steigen die Baupreise in Deutschland stark und kontinuierlich. Nicht nur die oben angesprochenen Grundstückspreise, sondern auch die nötigen Baustoffe wie Bauholz, Zement, Dämmstoffe oder Schrauben sind infolge des Ukraine-Kriegs und der dadurch gestiegenen für Energiepreise deutlich teurer geworden. In Kombination mit dem allgemeinen Mangel an Arbeits- und Fachkräften in der Baubranche führt dies dazu, dass sich das Bauen in NRW im Vergleich zu 2021 um knapp 29 % verteuert hat. Neben diesen Faktoren spielt sowohl beim Neu- als auch beim Umbau von Immobilien die sehr hohe Regulierungsdichte in Deutschland eine große Rolle. Als Faustregel gilt: Je mehr Regulierungen beim Bau eines neuen Gebäudes berücksichtigt werden müssen, desto teurer ist die Planung und Ausführung.
Das Land und seine Wohnungen
Für den immer häufiger eintretenden Fall, dass der freie Wohnungsmarkt dabei versagt, genug bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, gibt es Sozialwohnungen. Der Bau dieser Wohnungen wird vom Staat, unter der Bedingung, für eine gewisse Zeit günstigere Mieten zu erheben, bezuschusst. Grundsätzlich haben Menschen mit einem sog. „Wohnberechtigungsschein“, also einer amtlichen Bestätigung über ihre Bedürftigkeit, Anspruch auf eine solche Wohnung. Das Problem ist hier, dass Sozialwohnungen nach einer gewissen Zeit nach dem Bau aus der Mietpreisbindung fallen und dann zu normalen Wohnungen werden. In den letzten Jahrzehnten ist der Neubau von Sozialwohnungen dem Neoliberalismus relativ umfangreich zum Opfer gefallen, denn auch die Landesregierungen in NRW hatten keine Lust mehr, durch Neubau von Sozialwohnungen dafür zu sorgen, dass der Bestand stabil bleibt. Das Nicht-Fördern von sozialem Wohnraum war für die Landesregierungen eine günstige Möglichkeit, den Haushalt zu beschönigen, ohne dass sich die Konsequenzen direkt gezeigt hätten. Ein schlanker Staat musste in diesen Zeiten ohne bezahlbaren Wohnraum für seine Bürger*innen funktionieren.
Darüber hinaus gab es in NRW bis 2008 sogar eine landeseigene Wohnungsgesellschaft: Die “Landesentwicklungsgesellschaft NRW” (kurz LEG). Die LEG wurde 1970 gegründet und verfügte kurz vor ihrer Privatisierung über rund 93.000 Wohnungen. 2006 beschloss die schwarz-gelbe Landesregierung den Verkauf der LEG und die Gesellschaft wurde an die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs verkauft. Heute erwirtschaftet die LEG Dividenden für ihre Aktionär*innen – auf Kosten der Mieterinnen und Mieter.
Um in ganz NRW den Wohnungsmarkt mitgestalten zu können, fordert die NRWSPD daher seit Jahren die Neugründung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, denn jede Wohnung, die nicht dem Profitinteresse der Börse unterliegt, entlastet den Wohnungsmarkt für die Mieterinnen und Mieter in NRW. Die Landesregierung verweigert sich allerdings bisher der Idee einer neuen Wohnungsbaugesellschaft, angeblich um keine Mittel von der Förderung des sozialen Wohnungsbaus abziehen zu müssen.
Können wir das schaffen?
Die Wohnraumkrise ist in den meisten Kommunen ein Problem der Verteilung des vorhandenen Wohnraums. Jeder Neubau geht mit einer großen CO²-Belastung einher, jedes Kilogramm Zement und jedes Balkongeländer muss hergestellt und transportiert werden.Darum müssen Wege gefunden werden, um Gebäude besser aufzuteilen und bedarfsgerechter zu nutzen. Fast leerstehende Einfamilienhäuser sollten nicht von Einzelpersonen bewohnt werden. Stattdessen braucht es Projekte, die mehrere Generationen verschiedener Familien unter ein gemeinsames Dach bringen. NRW braucht Wohnheime für Auszubildende und mehr Wohnraum für alleinstehende Menschen. Und ja – dort wo es nicht anders geht, muss in NRW auch neu gebaut werden, möglichst unbürokratisch, mit ressourcenschonenden Baustoffen wie Holz oder recycelten Dämmungen und unabhängig von profitorientierten Unternehmen. Genossenschaften und öffentliche Wohnungsbauunternehmen, egal ob in kommunaler Hand oder im Besitz des Landes, spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Die Krise auf dem Wohnungsmarkt ist nicht über Nacht entstanden und sie wird auch nicht über Nacht verschwinden, aber wenn Bund, Land und Kommunen gemeinsam an einem Strang ziehen, denke ich:
Jo, wir schaffen das!
