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România își dorește Europa – Rumänien am Scheideweg
Rumänien, ein EU-Mitgliedstaat mit rund 19 Millionen Einwohner*innen, steht im Frühjahr 2025 im Zentrum einer politischen Krise, die weit über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung hat – ein Blogbeitrag zur Präsidentschaftswahl in Rumänien von Patrick Schultz aus unserem Landesvorstand:
Schon vor den letzten Präsidentschaftswahlen im Dezember 2024 befand sich das Land in einer tiefen Vertrauenskrise: Korruption, soziale Ungleichheit und politische Skandale hatten viele Menschen von der Politik entfremdet.
Genau in diesem fragilen Moment schlug eine perfide Welle der Desinformation zu – orchestriert mit einem Ziel: Europa zu schwächen.
Georgescu – Ein Phantomkandidat und der russische Schatten
In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl gewann ein bis dahin unbekannter Einzelkandidat: Călin Georgescu. Sein kometenhafter Aufstieg kam nicht durch überzeugende Reden oder starke politische Konzepte – sondern durch einen Social-Media-Hype, wie ihn das Land noch nie gesehen hatte. Oder besser gesagt: durch einen orchestrierten Manipulationsversuch.
Die Plattform TikTok musste über 66.000 Fake-Accounts, sieben Millionen künstliche Likes und zehn Millionen Fake-Follower löschen, die gezielt Georgescu unterstützten. Influencer*innen wurden für insgesamt 386.000 Dollar eingekauft, um ihn zu promoten. Was hatte es mit diesem Kandidaten auf sich? Georgescu vertritt rechtsextreme, antisemitische Positionen, lehnt die EU und die NATO ab – und war damit der perfekte Trojaner zur Destabilisierung europäischer Strukturen.
Verfassungsgericht stoppt Manipulation – doch Zweifel bleiben
Nach Protesten und Untersuchungen stellte das rumänische Verfassungsgericht erhebliche Unregelmäßigkeiten fest und annullierte das Wahlergebnis. Aufgrund von Verstößen gegen das Wahlkampffinanzierungsgesetz und extremistischer Aussagen wurde Georgescu die Kandidatur für eine erneute Wahlrunde untersagt. Das führte zu Demonstrationen – aber auch zu einer Gegenbewegung: Viele Rumän*innen gingen für die Demokratie auf die Straße.
Gleichzeitig verbreiten russische Trollfabriken gezielt Falschmeldungen in sozialen Netzwerken, besonders häufig auf deutsch kurz nach der Bundestagswahl. Ihr Narrativ: Die EU habe die Wahl manipuliert. Ein klarer Angriff auf das Vertrauen in europäische Institutionen – obwohl die EU keinerlei Einfluss auf nationale Wahlen hat.
Aktueller Stand
Der aktuelle Favorit laut Umfragen ist George Simion, Kandidat der rechtsextremen AUR, mit rund 33%. Ihm folgt mit 25% Crin Antonescu, Kandidat der proeuropäischen Regierungskoalition. Ein weiterer Kandidat mit Chancen ist der aktuelle Bürgermeister von Bukarest Nicușor Daniel Dan mit 21%. Letzterer kandidiert unabhängig und gilt als eher progressiv (Quelle: AtlasIntel)
Warum uns das kümmern muss
Rumänien ist nur ein weiteres Beispiel von Einflussnahme seitens des Kremls.
Bereits in Moldau, dem Nachbarland von Rumänien und EU-Beitrittskandidat, wurden europaskeptische und dem Kreml nahestehende Politiker*innen unterstützt. Es wurden Fake News verbreitet, es gab in dem armen Land Geld für die Beteiligung an Demonstrationen. Aber auch in Deutschland werden wir nicht nur mit Desinformationen überschüttet, die dann fleißig von der AfD genutzt werden, sondern es gibt aktive Versuche, den Diskurs zu manipulieren: so wurden in Hamburg mehrere PKW am Auspuff mit Bauschaum beschädigt. Ein Aufkleber, der sich pro Grün bzw. pro Habeck äußerte, wurde hinzugefügt. Wie sich herausstellte, handelte es sich hierbei um eine sogenannte False Flag-Aktion mit dem Ziel, Unmut gegen die Grünen zu schüren.
Desinformation ist eine große Gefahr für unsere Demokratie. Besonders dann, wenn das Vertrauen in etablierte Medien, journalistisches Fachwerk oder staatliche Institutionen schwindet.
In Rumänien nutzen viel mehr Menschen die sozialen Netzwerke, um sich zu informieren. Die klassischen Nachrichten im Fernsehen verlieren dort währenddessen an Bedeutung.
Die Konsequenzen durch einen rechtsextremen Sieg
Rumänien ist eine präsidentielle Demokratie. Der Präsident ist nicht vergleichbar mit dem Amtsinhaber in den USA oder in Frankreich, verfügt aber um mehr Befugnisse als z.B. der Bundespräsident in Deutschland. Das Parlament weist aktuell eine proeuropäische Mehrheit auf, auch wenn hier rechtsextreme Parteien deutlich dazugewonnen haben. Nichtsdestotrotz droht neben Ungarn und der Slowakei uns ein weiteres Land vom europäischen Kurs abzudriften, obwohl Europa gerade jetzt zwischen zusammenrücken sollte, um selbstbewusst gegenüber den „starken Männern“ Putin und Trump auftreten zu können. Zum Schluss die gute Nachricht: Selbst wenn der rechtsextreme Kandidat Simion in der ersten Runde die meisten Stimmen bekommt, gilt es als wahrscheinlich, dass die Wähler*innen des Bukarester Bürgermeisters Dan Antonescu im zweiten Wahlgang wählen.
