NRW Jusos – Beitrag
Under Pressure: Wie sachgrundlose Befristungen Zukunft verhindern
Junge Menschen wollen sich ihre Existenz aufbauen, aber ihre Arbeitsverträge sind immer öfter befristet – und das ohne einen Sachgrund, der das rechtfertigen könnte. Damit muss Schluss sein! Die nächste Koalition muss diesem Raubbau an der Zukunft junger Menschen ein Ende setzen.
Die Koalitionsverhandlungen für eine Ampel laufen und die Republik ist in Wartestellung. So gut wie nichts ist über den Stand der Verhandlungen zu erfahren. Und so gleicht die Berichterstattung manchmal der zu einer Papstwahl. Journalist*innen stehen vor verschlossenen Türen und warten darauf, dass weißer Rauch aufsteigt. Sie möchten endlich ihr Mikrofon ausstrecken und fragen: „Wie können Sie sich die Leistung ihrer Mannschaft erklären?“. Doch fernab der Frage um die schönste Fußballmetapher in der politischen Nachberichterstattung drängen sich ganz andere Dinge auf.
Als Jusos haben wir eine klare Linie für die neue Koalition: Sie muss für einen echten Aufbruch für alle stehen. Und das bedeutet vor allem, dass die Interessen junger Menschen endlich berücksichtigt werden müssen. Ein Thema was dabei besonders brennt, ist das der sachgrundlosen Befristungen. Der Begriff klingt eher technisch. Aber es geht dabei um die Chancen, sich eine eigene Existenz aufzubauen. Sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen bedeuten Steine, die jungen Menschen in den Weg zu einer eigenen Zukunft gelegt werden.
Another One Bites The Dust: Sachgrundlose Befristungen in Zahlen
Die Zahl der Befristungen ohne sachlichen Grund hat sich zwischen 2001 und 2018 mehr als verdreifacht – von rund 550 000 auf 1,8 Millionen. Der Anteil an allen Arbeitsverhältnissen ist im selben Zeitraum von 1,7 auf 4,8 Prozent gestiegen. 2019 war fast jede zweite Neueinstellung befristet, 60 Prozent davon ohne Sachgrund. In NRW lag der Anteil im Jahr 2018 von sachgrundlosen Befristungen bei 5,8 Prozent und damit auf Platz 3 im Ländervergleich, hinter Berlin und Bremen. Der Anteil befristeter Verträge in NRW lag 2018 insgesamt bei 9,2%. Den höchsten Anteil an befristeten Arbeitsverträgen hatten 2018 mit deutlichem Abstand junge Menschen (25-34 Jahre: 16,9%). Zu den ohne Sachgrund befristeten Verträgen kommen dann nochmal Befristungen mit Sachgrund hinzu. Fast jede zweite Neueinstellung ist befristet. Generell gilt, dass Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (43,9 Prozent) bei Neuanstellungen häufiger befristet werden als Deutsche (37,8 Prozent). Gravierend ist dabei der Unterschied in der Gruppe der Frauen: Während 39,6 Prozent der deutschen Frauen bei Neuanstellung einen befristeten Vertrag erhalten, sind es unter den Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit 52,2 Prozent.
I Want To Break Free: Was befristete Arbeitsverträge für das eigene Leben bedeuten
Ein unbefristeter Arbeitsvertrag strahlt auf das ganze Leben aus. Eine Wohnung mieten? Schwierig. Ein Auto auf Finanzierung kaufen? Schwierig. Heiraten, eine Familie gründen, Kinder bekommen? Auch schwierig. Alles was langfristige Planungen angeht, ist kaum machbar. So wundert es nicht, dass auch das Armutsrisiko deutlich erhöht ist. Wie soll man denn auch sparen und ein Vermögen (für schlechte Zeiten) aufbauen, wenn man nicht weiß, ob man in einem Jahr unverschuldet arbeitslos sein wird? So werden in jungen Jahren Weichen gestellt, die wegführen von einer gesicherten, krisenfesten Existenz.
Befürworterinnen von sachgrundlosen Befristungen meinen, dass dadurch angeblich die Jobchancen von Bewerberinnen, die Arbeitgeberinnen nicht auf den ersten Blick überzeugen können, erhöht würden. Belegen lässt sich das nicht. Wissenschaftlich bewiesen ist aber, dass Befristungen ein Problem von jungen Menschen und Einwohnerinnen ohne deutschen Pass sind. Wir sprechen beim Ende der sachgrundlosen Befristungen nicht vom Ende der unternehmerischen Freiheit. Auf konjunkturelle Schwankungen kann mit dem Kurzarbeitsgeld reagiert werden. Wenn die sachgrundlosen Befristungen hoffentlich bald der Vergangenheit angehören, bleiben den Arbeitgeberinnen immer noch Befristungen mit Sachgrund. Das Argument, dass man die Arbeitnehmerinnen gerne erstmal kennenlernen möchte, bevor man sie unbefristet einstellt, ist ja nicht illegitim. Aber dafür gibt es das Mittel der Probezeit, die bis zu sechs Monate dauern kann. Wer auf sachgrundlose Befristungen besteht, weil er oder sie innerhalb von sechs Monaten nicht erkennen kann, ob eine Arbeitnehmerin vernünftig arbeiten kann, ist vielleicht einfach eine schlechter Chef*in.