NRW Jusos – Blog
Unser Kampf gegen Rechts, Europa gerechter nicht rechter machen!
Europas Rechtsextreme vernetzen sich. Wie sie sich international vor der Europawahl in Stellung bringen, was Nationalist*innen über Ländergrenzen hinweg eint und was das für uns demokratische und antifaschistische Menschen in Europa bedeutet, darüber schreibt Maximilian Lykissas aus unserem Landesvorstand:
In den letzten Jahren beobachten wir eine besorgniserregende Tendenz in Europa: Die rechte politische Landschaft wird zunehmend von nationalkonservativen und rechtsextremen Kräften dominiert, die sich international vernetzen und gemeinsame Strategien entwickeln. Diese Bewegungen eint nicht nur ihre ablehnende Haltung gegenüber liberalen Werten und Menschenrechten, sondern auch ihr Ziel, demokratische Institutionen zu schwächen und autoritäre Strukturen zu stärken.
Diese Entwicklung stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Zukunft Europas dar, da sie die Grundlagen von Freiheit, Gleichberechtigung und Vielfalt untergräbt. In diesem Kontext ist es entscheidend, die Dynamiken und Verbindungen innerhalb der europäischen Rechten zu verstehen, um effektive Gegenstrategien zu entwickeln und den Fortbestand demokratischer Prinzipien zu sichern.
Europas Rechte vor der Wahl
Im April traf sich eines dieser Netzwerke, die selbsternannte „Nationalkonservative Konferenz“, eine fragwürdige Ansammlung rechtsextremer und nationalkonservativer Politiker*innen, die alle denselben Plan haben: Die zerstrittene europäische Rechte muss zusammengebracht werden, um gemeinsam gegen den sogenannten „Wokeismus“ zu kämpfen. Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um zu wissen, was damit gemeint ist: mehr Abschottung, mehr nationale Alleingänge, mehr Hetze gegen Queere und geflüchtete Menschen. Obwohl die Konferenz in Brüssel dank der Intervention der Zivilgesellschaft und der Politik vor Ort ein Misserfolg war, konnten sich die Extremist*innen dort trotzdem vernetzen. Solche Veranstaltungen sind kein Einzelfall, wie auch die CPAC Hungary (Conservative Political Action Conference Hungary) Ende April zeigte. Dass man den Begriff eher aus den USA kennt, ist kein Zufall: Die europäische Rechte arbeitet mit Hilfe der US-Republikaner oder des Ex-Trump-Beraters Steve Bannon schon länger an einem internationalen Unterstützungsnetzwerk, bei dem es nicht nur um politische Ideen, sondern auch um Geld und Einfluss geht. Ungarn ist dabei das derzeitige Vorbild dieser nationalen Internationale. Miklós Szánthó, Vorsitzender des ungarischen Think Tanks „Alapjogokért Központ“, umreißt gleich zu Beginn das Ziel der diesjährigen CPAC. Man wolle die „anti-globalistischen“ Kräfte zu einem globalen Netzwerk mobilisieren, vor allem die Europa- und US-Wahlen seien wichtig. Man führe einen Kampf gegen die sogenannten „Bolsche-woken“, die Ordnung, Freiheit und Sicherheit untergraben, indem sie die liberale Demokratie durch Gesetze zwangsexportieren, während sie selbst an die Freiheit der Völker, den Schutz der Grenzen, den Frieden und die Familie glauben würden.
Damit ist die europäische Rechte schon deutlich weiter als die Linke. Statt sich aufgrund von Detailfragen die Zusammenarbeit zu verbauen, stehen gerade die größeren Parteien wie Orbans Fidesz oder Melonis Fratelli d‘Italia für einen neuen Stil rechter Politik: national und international statt eigenbrötlerisch und isoliert. Auch wenn sich derzeit eine Kluft zwischen der AfD und Le Pens Rassemblement National aufgetan hat, muss man sich darüber im Klaren sein, dass dies Teil der Taktik ist, gemäßigt zu erscheinen. Eine Taktik, die in Strategiepapieren der AfD immer gefordert wird, jedoch ständig scheitert. Dieses white-washing rechtsextremer Positionen gelingt offenbar in dem Maße, dass Manfred Weber (CDU/CSU), Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion, offen auf einen Fraktionsbeitritt von Melonis faschistischer Partei hinarbeitet und grundsätzlich viele Schnittmengen sieht. Eine davon scheint der Antifeminismus zu sein. Denn Weber kündigte jüngst in den „Vatikan News“ an, sich offen gegen ein europäisches Abtreibungsrecht auszusprechen und plädiert für mehr „Ambitionen und Kreativität“ in der nationalen Innenpolitik, um die Abtreibungszahlen drastisch zu senken. Auch wenn Weber es im Interview nicht ausspricht, ist das Ziel klar: Er plädiert für eine maximale Einschränkung jeglicher Beratung und Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen mit dem Ziel, Schwangeren diese Option zu nehmen. Diese Vorgänge kennt man schon aus anderen Ländern wie Polen oder Ungarn. Solche Ankündigungen sind ein offener Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht von FINTA (Frauen, Inter, Nichtbinär, Trans, Agender) und zeigen den Einfluss rechter religiöser Fundamentalisten.
Es handelt sich um eine Gefahr, die schon immer da war, aber seit Jahrzehnten von politischen Akteuren und Medien normalisiert wird. In einigen Fällen wurde auf die Zusammenarbeit zurückgegriffen, um Mehrheiten zu beschaffen und in anderen Fällen, um demokratische Institutionen zu übergehen. Die Gefahr ist bei dieser Wahl größer als je zuvor, denn es sind nicht nur die offen Rechtsextremen, die demokratiefeindliche Positionen vertreten, sondern auch nationalkonservative Kräfte, die diese zumeist aus wahltaktischen Gründen übernehmen. Doch auch darüber hinaus besteht oftmals die Bereitschaft, sich mit Hilfe der Demokratiefeinde Mehrheiten zu beschaffen, sei es bei Abstimmungen oder gar Regierungsbildungen.
Gerade jetzt, wo so viel auf dem Spiel steht, müssen wir als progressive Linke zusammenstehen und Europa gerechter machen, nicht rechter!
Altertümliche Frauen*bilder zerschlagen
Selbstbestimmungsrechte und Gleichstellung sind den Rechtsextremen ein Dorn im Auge und so ist es nicht verwunderlich, dass das Thema bei AfD und Co. auf große Aufmerksamkeit stößt. So propagiert die AfD ein traditionelles Familienbild, das sich zwischen zwei Geschlechtern abspielt, Adoptionen für Queere oder auch Patchwork-Familien erschwert und darauf abzielt, die Geburtenrate durch gezielte „Förderung“ zu steigern. Laut ihrem EU-Wahlprogramm gibt es vor allem ein Geburtenproblem der deutschen Mittelschicht. Der Fachkräftemangel sei eine Folge des demographischen Wandels, bedingt durch eine steigende Zahl an Kinderlosen. Als Ursache dieser Entwicklung sehen sie den Feminismus und besonders emanzipierte Frauen*. Dies liege vor allem daran, dass die Autonomie heteronormativer Familien durch EU-Institutionen beschnitten werde und die sogenannte „europäische Vielfalt von Traditionen und Regionen“ durch die Förderung von Inklusion, Chancengleichheit, Diversität und Geschlechtergerechtigkeit zerstört werde.
Dieses Weltbild macht deutlich, dass weder die AfD noch andere rechtsextreme Parteien mit ähnlichen Visionen für eine vollständige Umsetzung der Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen stehen, sondern vielmehr Frauen in „traditionelle Rollen“ zurückgedrängt und Queere sowie Trans* Personen ausgegrenzt werden sollen.
Wir müssen vor allem Erstwähler*innen erklären, was diese Ideen für unsere Zukunft bedeuten und was progressive Gegenentwürfe sind, warum Schwangerschaftsabbrüche in der EU-Grundrechtcharta verankert werden müssen, warum wir für eine EU-Charta der Frauenrechte kämpfen – und warum Quoten in der Politik bis hin zu großen Unternehmen unverzichtbar sind.
Unser Antifaschismus muss immer feministisch sein!
Die Ukraine nicht aufgeben
Um billig zu punkten, setzen die AfD und ihre Schwesterparteien auch in der Außenpolitik auf plumpen Nationalismus. Die Ukraine wird als Geldfresser dargestellt und der Widerstand der Bevölkerung als aussichtsloser Kampf. „Man könne ja mit Putin verhandeln“ hört man aus den Reihen der Rechtsextremen. Dass das von der Partei kommt, die Maximilian Krah als Spitzenkandidaten aufstellt und die Russland-Kontakte von Peter Bystron nicht groß kritisiert, sollte nicht verwundern.
Aber genau das muss verdeutlicht werden: die AfD ist nicht nur eine pro-russische Partei, sie agiert als verlängerter Arm des Kremls, profitiert von Geldern und bezahlten Reisen. Ihre Zielsetzung ist es, die deutsche Öffentlichkeit zu täuschen und das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Was auch immer wieder untergeht ist, dass selbst jetzt noch Abgeordnete als „Wahlbeobachter“ nach Russland reisen und auch in den besetzten Gebieten der Ukraine von reibungslosen demokratischen Wahlen berichten, die man in Deutschland so gerne erleben würde.
So schmerzlich es auch ist, über den Angriffskrieg Russlands zu sprechen, Umfragen zeigen, dass das Thema für viele Wähler*innen zu den wichtigen gehört. Wir müssen uns dem stellen, offen diskutieren und zeigen, dass die Zukunft der Ukraine in der EU liegt. Wir müssen den autoritären Bestrebungen der AfD entgegentreten, denn das System Putin darf hier keinen Platz haben.
Die AfD und ihre Verbündeten sind keine Friedensparteien, auch wenn sie versuchen, sich so zu stilisieren. Sie stehen seit Jahren für Aufrüstung, Lobbyarbeit für die Rüstungsindustrie und einen völkisch-nationalistischen Militarismus. Der Ruf nach „Frieden“ ist bei der AfD nichts anderes als ein rhetorisches Manöver, um Putins Angriffskrieg umzudeuten und das Narrativ vom kriegstreiberischen Westens zu bedienen. Dies ist durchschaubar, verfängt aber trotzdem bei naiven Pazifist*innen, die sich für „Frieden um jeden Preis“ einsetzen, auch wenn dieser Preis die imperialistische Expansion eines rechtsextremen Russlands auf Kosten seiner Nachbarländer ist.