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NRW Jusos – Beitrag

22. April 2020

Zwischen Existenzkampf und Wohnzimmerkonzert

Konzerte werden reihenweise abgesagt, Ausstellungen geschlossen, Buchmessen finden nicht statt. An einen normalen Kunstbetrieb ist nicht zu denken.

Jedoch zeigt die Kulturszene eindrucksvoll, dass auch eine Krise diesen Ausmaßes sie nicht in ihrer Kreativität einschränkt. Denn statt zu Hause nur rumzusitzen, wird kurzerhand das heimische Wohnzimmer zur neuen Bühne und Plattformen wie Instagram zum neuen Konzertsaal gemacht.

So lesen Autor*innen aus ihren Kinderbüchern vor und entlasten dabei Eltern, Ensembles spielen ganze Stücke auf Zoom nach und Musiker*innen wie Mine spielen Live-Sessions, sammeln dabei über 10.000€ für Organisationen wie Sea-Watch und machen so aufmerksam, dass es neben dem Corona-Virus weitere Themen gibt, die wichtig sind und nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Kunst & Kultur gibt uns gerade in schwierigen Zeiten Halt, denn Künstler*innen sorgen gerade dafür, dass diejenigen, die tagtäglich den Laden am Laufen halten, ein Stückweit Normalität bekommen und denen, die Zuhause in Isolation bleiben, nicht die Decke auf den Kopf fällt.

Jedoch dürfen all diese Aktionen nicht darüber hinwegtäuschen, dass für viele Künstler*innen nun ein Existenzkampf ausgebrochen ist. Auf einen Schlag ist das finanzielle Standbein von Kunstschaffenden weggebrochen, weil nun fest eingeplante Einnahmen entfallen und lang vorbereitete Veranstaltungen nicht mehr stattfinden.

So berichtet Rapperin Haszcara von einer diffusen Situation. So war sie einem enormen psychischen Druck ausgesetzt, nahm in der Vergangenheit viele Gigs an und arbeitete am Limit, um sich am Ende etwas ansparen zu können. Die Alternative: Sie baut sich abseits der Kunst ein finanzielles Standbein auf, wodurch sie dann wiederum weniger Zeit für ihre Kunst hat. Ein Mittelweg ist nicht vorgesehen. Ein Problem, dem Künstler*innen ausgesetzt sind und das sich durch die aktuelle Krise noch weiter zuspitzt.

Zwar stellt zum Beispiel das Land NRW einen einmaligen Zuschuss i.H.v. bis zu 2000€ bereit, jedoch lässt sich davon nur ein Bruchteil der Einbußen abfedern, vor allem wenn sich die Einschränkungen über Monate ziehen werden. Des Weiteren können diesen Zuschuss in erster Linie nur Mitglieder der Künstlersozialkasse in Anspruch nehmen. So erzählt Jan Feuer, DJ und Veranstalter der „Goldene Zeiten“ in Bochum, dass die wenigsten DJs Mitglied der KSK sind und wünscht sich daher die Erweiterung des Angebots auch für Nicht-Mitglieder.

Ihm ist jedoch vor allem die Rettung von Clubs und Kulturstätten wichtig: „Wenn diese Spielstätten nach dem Ende der Krise wegfallen, haben wir keine Möglichkeiten für Auftritte und Kulturprogramm. Damit läge die Kulturszene erst mal brach, was nach der langen Abstinenz für alle Menschen zu dem Zeitpunkt doppelt schade wäre.“

Wie also den Kultursektor auf solide Beine stellen?

Es muss ein Umdenken stattfinden: Kultur darf nicht weiter als Nice-to-have betrachtet werden, sondern muss als fester Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens anerkannt werden. Der Mehrwert von kulturellen Projekten & Institutionen lässt sich nicht in ökonomischen Indikatoren messen, sondern zeigt sich in ihrem Einfluss auf die Gesellschaft. Voraussetzung hierbei ist jedoch, dass das kulturelle Angebot niedrigschwellig und für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich ist.

Damit auch zukünftig eine vielfältige Kulturlandschaft existiert, muss es eine von allen Ebenen durchfinanzierte Kulturförderung geben die neben der Hochkultur auch die alternative Kulturszene und nicht-kommerzielle Kulturprojekte fördert und unterstützt. Das sind nur erste Maßnahmen hinzu einer stabilen Kunst- & Kultur-Szene.

Der Autor dieses Artikels ist Berat Arici, ehemaliges Vorstandsmitglied der NRW Jusos (2019-2021)


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