NRW Jusos – Blog

Feministische Außenpolitik – for real?
Ein Meinungsbeitrag (20.01.2025) von Jonas Kamrath und Johanna Börgermann:
Als Jusos ist unser Verständnis von Außenpolitik feministisch. Zumindest in dieser Überzeugung waren wir uns mit der Ampel auf dem Papier immer einig. Im Koalitionsvertrag wurde sich damals zur feministischen Außenpolitik bekannt und 2023 stellte Annalena Baerbock die neuen Leitlinien zur feministischen Außenpolitik vor.
Grüne und SPD fordern auch bei der nächsten Bundestagswahl wieder eine feministische Außenpolitik, den Programmatiker*innen der FDP scheint es wichtiger gewesen zu sein, die Begriffe „feministisch“ und „Feminismus“ auf knapp 50 Seiten tatsächlich kein einziges Mal zu verwenden, aber auch sie fordern den weltweiten Schutz und die Stärkung von Frauenrechten und die systematische Einbeziehung von Frauen in Friedensverhandlungen und Konfliktlösungen.
Im Bundestagswahlkampf sind die Rufe von Grünen und SPD nach feministischer Außenpolitik über die Programme hinaus jedoch kaum wahrnehmbar. Stattdessen dürfen Männer ihren Kindheitsträumen nachgehen und fürs Fotoshooting nochmal einen Tag Soldat spielen.
Was ist feministische Außenpolitik?
Feministische Außenpolitik ist – auch wenn es so wirkt – keine neue Idee. Bereits im Jahr 2000 stellte eine Resolution im UN-Sicherheitsrat fest, dass die Beteiligung von Frauen für langfristige Konfliktbewältigung und Frieden essentiell ist. Auch mehrere Studien beweisen: Frieden ist nachhaltiger, wenn Frauen mit am Tisch sitzen. Letztlich war es Schweden, das sich als erster Staat 2014 einer feministischen Außenpolitik verschrieb. Darauf folgten in den kommenden Jahren weitere Länder, unter anderem auch Deutschland mit dem Amtsantritt von Annalena Baerbock. Auch bekannte Feminist*innen wie die Autorin Kristina Lunz prägten die deutsche Debatte rundum feministische Außenpolitik mit ihrem Bestseller “Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch!”. Doch was bedeutet feministische Außenpolitik jetzt? Das ist keine einfache Frage, denn in der politischen Theorie und Praxis ist man sich sehr uneinig.
Für uns Jusos ist aber klar: Feministische Außenpolitik bedeutet, dass marginalisierte Gruppen mit am Tisch sitzen, wenn Entscheidungen getroffen werden. Feministische Außenpolitik bedeutet aber nicht nur das, sondern mehr: Sie kämpft dafür, dass alle Menschen auf dieser Welt selbstbestimmt und frei leben können. Dafür orientieren wir uns an den drei R und dem D: Rechte, Repräsentation, Ressourcen und Diversität. Das Ziel ist hierbei, die Perspektiven von marginalisierten Gruppen in allen Lebensbereichen mitzudenken, denn: Es geht nicht nur darum, mit am Tisch zu sitzen, sondern auch einen zumindest gleich großen Teil des Kuchens zu bekommen!
Feministische Außenpolitik der Ampel
Diese abstrakte Einordnung feministischer Außenpolitik kann in ihrer praktischen Umsetzung lediglich als Orientierungshilfe dienen, muss aber Handlungsmaxime sein. So hat die Ampel das Konzept zur Zeit des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine und somit unter gänzlich anderen Voraussetzungen als zum Beispiel Schweden 2014 eingeführt. Das hat sicherlich die Priorisierung der antimilitaristischen Aspekte bei der Erstellung eines damit verbundenen Konzepts maßgeblich beeinflusst.
In den Leitlinien zur feministischen Außenpolitik werden wichtige Zielsetzungen formuliert, wie die Bekämpfung der spezifischen Auswirkungen der Klimakrise auf Frauen und marginalisierte Gruppen sowie der sexualisierten und geschlechterspezifischen Gewalt in bewaffneten Konflikten. Die Leitlinien haben dazu geführt, dass die Haushaltsposition des Auswärtigen Amtes nach dem Prinzip des Gender Budgetings gestaltet wurde. Die Gründung des Netzwerks UNIDAS und die finanzielle Förderung feministischer Projekte weltweit können zu Recht als erste kleine Erfolge der feministischen Außenpolitik gesehen werden.
Papier ist geduldig – Krisen sind es nicht!
Insgesamt blieb die Ampelregierung dennoch mehrfach hinter ihren Ansprüchen zurück. Die peinliche Blockadehaltung bei der EU-Richtlinie gegen häusliche Gewalt, die Aufhebung des Abschiebestopps in den Iran und die Über-Eck-Verhandlungen mit den Taliban über Abschiebungen nach Afghanistan lassen die hochtrabenden Versprechungen des Koalitionsvertrages und der entsprechenden Leitlinien fast wie Etikettenschwindel wirken. Diese Beispiele müssen gerade uns als Jusos zu denken geben. Politische Forderungen zu Beschlusslagen der SPD zu machen und darauf zu hoffen, dass sie Bestandteil eines Koalitionsvertrages werden, ist wertlos, wenn wir es nicht schaffen, daraus auch einen Anspruch auf praktische Umsetzung zu formulieren und durchzusetzen. Es gilt im Sinne der kritischen Solidarität mit unserer Mutterpartei klar herauszustellen, wo die SPD-geführte Regierung beim Thema feministische Außenpolitik versagt hat. Gleichzeitig müssen wir die grundlegende Anerkennung verteidigen, dass Frauen und marginalisierte Gruppen besonders von internationalen Konflikten und Krisen betroffen sind. Außenpolitik, die auf Frieden gerichtet ist, muss feministisch sein. Diese Überzeugung werden wir an der Seite der SPD vor den Kulturkämpfer*innen und Antifeminist*innen von rechts schützen.
Unsere Utopie: konsequente feministische Außenpolitik
Ich bin nicht frei, solange noch eine andere Frau unfrei ist, auch wenn sie ganz andere Fesseln trägt als ich.
Audre Lorde
Audre Lorde hat mit diesem Satz nicht nur mein ganz persönliches feministisches Lieblingszitat erschaffen, sondern sie verbildlicht damit auch, worum es im feministischen Kampf eigentlich geht. Es geht darum, gemeinsam zu kämpfen und eine intersektionale Analyse ist dafür elementar. Es geht darum, Betroffenheiten anzuerkennen und auch in Kriegen und Krisen die Perspektiven von Frauen, genderqueeren Personen und BIPoC nicht in den Hintergrund rücken zu lassen. Das ist die Aufgabe von feministischer Außenpolitik.
Wir Jusos fordern deswegen eine intersektionale feministische Außenpolitik, die sich an den drei R und dem D orientiert. Eine intersektionale feministische Außenpolitik, die den Menschen statt Macht- und Profitinteressen in den Mittelpunkt stellt. Was heißt das konkret? Es darf keine Abschiebungen in den Iran, nach Syrien oder Afghanistan geben. Es braucht außerdem auch Verständnis und endlich ausfinanzierte Forschung zu geschlechtsspezifischer Gewalt und besonderer Betroffenheit von Frauen in Kriegs- und Krisengebieten. So ist es beispielsweise elementar, die Wirkung von Waffen auf die Gesundheit von Frauen im Zuge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zu untersuchen.
Es gilt auch, geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt anzuerkennen – es braucht sichere Fluchtrouten, humanitäre Hilfe und eine Außenpolitik, die rote Linien zieht, anstatt weiter mit Autokrat*innen zu kooperieren, die Frauen und weitere marginalisierte Gruppen immer weiter entrechten. Konsequente feministische Außenpolitik gibt uns das Werkzeug, globale Ungerechtigkeiten zu bekämpfen und letztlich für eine Welt der Freien und Gleichen einzustehen. Deswegen haben wir heute einen Wunsch: Informiert euch über die diversen Facetten feministischer Außenpolitik (bspw. auf der Seite des Centre for Feminist Foreign Policy) und lasst uns gemeinsam klar machen: Auf nette Worte von SPD und Grünen wollen wir Taten folgen lassen. Denn unser Kampf ist erst vorbei, wenn wir alle frei sind!

