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NRW Jusos – Blog

30. Juli 2024

In NRW ist kein Platz für Menschenhandel!

Inhaltswarnung: sexualisierte Gewalt, Menschenhandel, Zwangsprostitution

Am 30. Juli ist internationaler Tag gegen Menschenhandel – ein Tag, der uns daran erinnert, dass Menschenhandel eine der schwersten Menschenrechtsverletzungen unserer Zeit darstellt. Besonders betroffen sind Frauen, die zur Zwangsprostitution und sexuellen Ausbeutung gezwungen werden. Gerade die Region Ostwestfalen ist aufgrund ihrer logistischen Lage mit Anbindung an die Nord-Süd- und die Ost-West-Achse ein Ballungszentrum für Menschenhandel im Hell- und Dunkelfeld. 

Die Frauenberatungsstelle NADESCHDA in Ostwestfalen-Lippe leistet seit Jahren wertvolle Arbeit, um betroffenen Frauen zu helfen, die als Opferzeug*innen in Strafprozessen aussagen und somit zur Aufklärung der Taten beitragen. Ihre Arbeit ist essenziell für die Bekämpfung des Menschenhandels, da die Opferzeug*innen eine Schlüsselrolle einnehmen. Doch die jüngsten Entwicklungen geben Anlass zur Sorge.

Die Zahl der von der Polizei an Beratungsstellen wie NADESCHDA vermittelten Frauen ist dramatisch gesunken – von etwa 50% auf nur noch 10% [1]. Diese alarmierende Statistik steht im krassen Gegensatz zum Anstieg der Menschenhandelsdelikte in Nordrhein-Westfalen, das mittlerweile als „Hotspot“ für sexuelle Ausbeutung gilt.

Die Beratungsstellen führen die Sorge an, dass der Rückgang der Vermittlungen auf eine Reduzierung der Ermittlungsbemühungen der Polizei zurückzuführen sei. Die Initiativermittlungen, also eigenständige Ermittlungen der Polizei, scheinen womöglich rückläufig zu sein. Dies führe dazu, dass weniger Frauen den Weg zu den Beratungsangeboten finden, obwohl der Bedarf offensichtlich gestiegen ist.

Wir müssen als Gesellschaft sicherstellen, dass betroffene Frauen die notwendige Unterstützung erhalten.

Es muss geklärt werden, ob der Rückgang auf eine tatsächliche Reduzierung der Ermittlungsbemühungen zurückzuführen ist oder ob andere Faktoren eine Rolle spielen. Es braucht für einen effektiven Schutz Initiativermittlungen der Polizeibehörden. Diese müssen sich nicht nur auf das Hellfeld konzentrieren, um die Statistik zu verbessern, sondern einen tatsächlichen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung durch Ermittlungen auch im Dunkelfeld leisten.

Auch gesellschaftliche Aufklärung, darüber, wie man Menschenhandel erkennt, und eine Steigerung der Bekanntheit von Beratungsstellen wie NADESCHDA ist ein Schlüssel im Kampf gegen den Menschenhandel. Eine nicht unerhebliche Anzahl der von Menschenhandel betroffenen Personen sind in Mehrfamilienhäusern untergebracht, wo Nachbar*innen die Umstände auch mitbekommen könnten, wenn sie die Anzeichen dafür kennen. 

Es ist klar, dass der Kampf gegen Menschenhandel nicht nur eine Frage der strafrechtlichen Verfolgung ist, sondern auch der gesellschaftlichen Verantwortung.

Die Unterstützung von Opferzeug*innen durch Beratungsstellen wie NADESCHDA ist unerlässlich, um den betroffenen Frauen eine Perspektive zu bieten und ihnen zu helfen, die erlittenen Traumata zu überwinden.

Zum Internationalen Tag gegen Menschenhandel appellieren wir daher an die Landesregierung und die zuständigen Behörden, die Ermittlungsanstrengungen zu intensivieren und sicherzustellen, dass betroffene Frauen und alle weiteren von Menschenhandel betroffenen Personen die notwendige Unterstützung erhalten. Nur so können wir gemeinsam gegen die Ausbeutung und den Menschenhandel vorgehen und den betroffenen Frauen eine Chance auf ein besseres Leben geben.

Betroffene von Menschenhandel sollen unabhängig von ihrem Zeug*innenstatus aus humanitären Gründen aufgrund der erlittenen Menschenrechtsverletzungen Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten. Die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht wegen Gefährdung im Herkunftsland müssen gesenkt werden, sodass Opfer von Menschenhandel einen Rechtsanspruch darauf erhalten. Opferzeug*innen ist während ihres Aufenthalts eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, außerdem sind ihnen ausreichende Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten. Für die Finanzierung des Lebensunterhalts Betroffener brauchen wir bundeseinheitliche Regelungen, die Leistungen der sozialen Grundsicherung und die Finanzierung von Sprachkursen und Therapieplätzen beinhalten. Die Therapieangebote müssen auch in der Muttersprache der Betroffenen verfügbar sein. Beratungsstellen und Unterbringungsmöglichkeiten für Opfer von Menschenhandel müssen weiterhin ausreichend staatlich finanziert werden, außerdem bedarf es eines besseren Schutzes für Mitarbeiter*innen von Beratungsstellen, vor allem sollten sie ein Zeugnisverweigerungsrecht (also das Recht, Personen, die bei ihnen Schutz suchen nicht strafrechtlich zu belasten, sofern diese Vergehen begangen haben) erhalten.

Außerdem bleibt für uns klar: Die Bekämpfung von Fluchtursachen ist ein wichtiger Hebel im Kampf gegen Menschenhandel!

Die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen durch Handel zu den Herkunftsländern und der Abbau post-kolonialistischer Strukturen (Abhängigkeit von einem räumlich entfernten Zentrum) sind im Kampf gegen Menschenhandel für uns daher unerlässlich.

Im Rahmen der Prävention und Ursachenbekämpfung müssen außerdem auch die Verbindungen zwischen Menschen- und Organhandel und der dazugehörige Profit auch von Krankenhäusern und Gefängnissen – insbesondere auch auf internationaler Ebene – aufgeklärt und Bekämpfungsstrategien entwickelt werden[2]. So gibt es Berichte dazu, dass insbesondere in sog. Schwellenländern Organe von Strafgefangenen zum Verkauf angeboten werden. Ein Ansatz zur Bekämpfung dieser kriminellen Verknüpfungen kann die Einführung einer Widerspruchslösung der Organspende sein.

Lasst uns gemeinsam ein starkes Zeichen setzen und dafür kämpfen, dass Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.


[1] Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. NADESCHDA (2023): Bericht 2022. Online: https://www.nadeschda-owl.de/news_2023/bericht-nadeschda-2022.pdf

[2] F. Ambagtsheer, W. Weimar: Traffic in Human beings for the purpose of Organ Removal, 2016 (Pabst-Verlag)


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