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NRW Jusos – Beitrag

07. Mai 2024

Spürst du Europa noch?

DIE EU SCHEINT WEIT WEG ZU SEIN. DOCH WO MACHT SIE BEI DIR VOR ORT EINEN UNTERSCHIED?

Was hat Europa mit mir zu tun? Auf den ersten Blick scheint es kaum eine größere Distanz zu geben als die zwischen der kommunalen Ebene der Städte und Gemeinden und der Europäischen Union. Wie wichtig beide Ebenen füreinander sind, wird manchmal erst auf den zweiten Blick deutlich. Betrachtet man die Beziehung zwischen den Kommunen und Europa, so fällt auf, dass mehr als 70% der EU-Richtlinien sich direkt oder indirekt auf die kommunale Ebene auswirken. Deshalb spricht man oft auch von der EU als einer „vierten Ebene“, ergänzend zur Kommune, zum Land und zum Bund. Ich behaupte: Europa gelingt nur mit und in den Kommunen. Wenn europäische Richtlinien bei uns Anwendung finden, zeigt das, dass Europa mehr ist als nur eine Idee oder ein weit entferntes politisches System. Das klingt erstmal ein wenig hölzern, aber es gibt zahlreiche Beispiele dafür. Erst kürzlich wurden alle Kommunen dazu verpflichtet, kostenlos Trinkwasser im öffentlichen Raum bereitzustellen. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie, die das Recht auf Wasser, also das „Right 2 Water” gestärkt hat. Dies ist nicht nur vorteilhaft für die Abkühlung an heißen Tagen, sondern erleichtert auch wohnungslosen Menschen den Zugang zu sauberem Wasser. Natürlich geht die EU über die Bereitstellung von Wasserspendern und einigen netten Extras hinaus.

ES IST KOMPLIZIERT: DIE KOMMUNE UND DIE EU

Angesichts der Vielzahl an Regelungen ist es eine Herausforderung, die Bedürfnisse der vielen Kommunen im Blick zu behalten. Allein in Deutschland gibt es 10.994 Kommunen. In ganz Europa sind es über 92.000. Genau hier setzt der Ausschuss der Regionen (AdR) an:

Der Ausschuss der Regionen ist ein beratendes Organ der Europäischen Union. Es dient dazu, die kommunalen und regionalen Regierungen innerhalb des EU-Gesetzgebungsprozesses zu repräsentieren. Er besteht aus Vertreterinnen kommunaler und regionaler Behörden aller EU-Mitgliedstaaten, darunter Bürgermeister*innen, Regionalpräsident*innen und gewählte Vertreter*innen auf kommunaler Ebene. Diese werden für eine fünfjährige Amtszeit ernannt und bringen die Perspektiven und Interessen ihrer jeweiligen Regionen in die EU-Politik ein. Die deutsche Delegation im AdR hat 24 Mitglieder. Insgesamt hat der Ausschuss 329 Mitglieder.

Die Hauptaufgabe des AdR besteht darin, sicherzustellen, dass die Standpunkte und Bedürfnisse der regionalen und kommunalen Ebenen in der EU-Gesetzgebung und -politik berücksichtigt werden. Um das zu erreichen, wird der AdR in Gesetzgebungsverfahren zu Themen konsultiert, die direkte Auswirkungen auf regionale oder kommunale Ebenen haben. Der AdR gibt Stellungnahmen ab, die Empfehlungen zu den vorgelegten Gesetzesvorschlägen enthalten. Diese Stellungnahmen sind zwar nicht bindend, spielen jedoch eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Politik.

Neben dem AdR gibt es weitere Organisationen und Netzwerke, die die Interessen der Kommunen auf europäischer Ebene vertreten. Diese reichen von spezialisierten Netzwerken z.B. für Umweltschutz, Digitalisierung oder soziale Inklusion, bis hin zu breit aufgestellten Bündnissen wie dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE). Hier werden Best-Practice-Beispiele ausgetauscht und gemeinsame Projekte koordiniert. Der EU wurde lange eine sogenannte „Kommunenblindheit” vorgeworfen. Erst 2009 wurden Kommunen formal im EU-Vertrag benannt, sodass die Rolle der Kommunen zunehmend stärker wird.

WIE DIE EU KOMMUNEN UNTERSTÜTZT

Die Europäische Union spielt gerade in einer immer enger zusammenwachsenden Welt eine wichtige Rolle für Kommunen. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, wie z.B. der Klimaschutz, sind nicht auf einzelne Orte beschränkt, sondern betreffen Gebiete überall, ob am Niederrhein, in Dortmund oder in Ostwestfalen-Lippe. Der European Green Deal ist ein Beispiel dafür, wie die EU globale Probleme angeht. Die Ziele dieses Deals müssen dann in den einzelnen Kommunen in die Praxis umgesetzt werden. Ein konkretes Beispiel hierfür sind z.B. „Beschleunigungszonen“. Hier melden die Kommunen mögliche Flächen für den Windenergieausbau und tragen so zu einer europäischen Koordination des Energienetzes bei. Der European Green Deal wird für die Kommunen eine ziemlich große Aufgabe, aber sie stehen damit nicht allein dar.

Zur finanziellen Unterstützung dieser und weiterer Projekte trägt die Europäische Union mit einer Vielzahl von Programmen bei. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) fördert beispielsweise innovative Projekte wie das „City Lab Südwestfalen“ oder das „Innovationszentrum Ruhr“. Der Europäische Sozialfonds (ESF) fördert unter anderem die berufliche Weiterbildung mit Maßnahmen wie den Bildungsschecks in Duisburg. Das LEADER-Programm konzentriert sich auf den ländlichen Raum und unterstützt Projekte zur Anpassung an die Klimafolgen. Diese Programme sind für die Umsetzung europäischer Ziele auf kommunaler Ebene unverzichtbar und helfen, die finanziellen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen einige Kommunen stehen.

WHAT EU DOES FOR ME

Eine wichtige Frage bleibt jedoch: Was macht die EU eigentlich für mich persönlich? Um diese Frage zu klären, steht die Website „What the EU does for me“ zur Verfügung. Sie bietet ausführliche Informationen, gegliedert nach Regionen, persönlichen Anliegen und speziellen EU-Fokusprojekten. So kann man konkret herausfinden, wie der eigene Wohnort und das persönliche Leben durch die EU beeinflusst und gestaltet werden. Zahlreiche Aspekte der EU sind für viele allerdings schon selbstverständlich geworden: Reisefreiheit, die gemeinsame Währung, die Möglichkeit, im EU-Ausland zu arbeiten, zu studieren oder von Programmen wie Erasmus+ zu profitieren, einheitliche Verbraucherschutzrechte und vieles mehr. Leider befinden wir uns aber in Zeiten, in denen die Skepsis gegenüber der EU wächst sowie Zweifel und Unsicherheiten zunehmen.

Die EU ist bei weitem nicht perfekt. Aber wenn wir die europäische Idee in den Kommunen nicht leben und vorantreiben, wird es zunehmend schwieriger, die Errungenschaften und Vorteile, die uns die europäische Integration gebracht hat, zu erhalten und auszubauen. Ohne aktive Beteiligung und das Engagement auf kommunaler Ebene riskieren wir, den Zusammenhalt und die Solidarität zu schwächen. Die europäische Idee lebt von ihrer Umsetzung in den Kommunen, von der aktiven Teilhabe aller Bürgerinnen und der fortwährenden Förderung grenzüberschreitender Kooperationen. Für mich ist es schwer vorstellbar, dass ich eines Tages nicht mehr mit der gleichen Selbstverständlichkeit nach Düsseldorf fahren kann wie nach Nimwegen. Deshalb liegt es an uns allen, die europäische Idee täglich mit Leben zu füllen und für ein Europa einzutreten, das seine Vielfalt feiert, seine Gemeinsamkeiten stärkt und für jeden von uns spürbar ist.


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