NRW Jusos – Magazin
United by football?
Die Fußball-EM der Männer und die Olympische Spiele prägen das Sport-Jahr 2024. Das gibt uns Anlass, den organisierten Sport in den politischen Fokus zu rücken und eine rassismuskritische Perspektive zu eröffnen.
Evin (29) ist leidenschaftlicher Fußballfan. Für sie ist der Sport politisch und erfordert bei all dem Spaß auch eine kritische Auseinandersetzung. Lisa (28) ist zwar eher in der Kletterhalle als im Stadion anzutreffen, bringt dafür aber eine gewisse „kritische Distanz“ beim Thema Fußball mit.
Rassismus im organisierten Sport
Lokale Amateurvereine sind oft erste Anlaufstellen für junge Migrant*innen und Geflüchtete, die in ihnen nicht nur eine sportliche, sondern auch eine soziale Heimat suchen. Doch diese Vereine sind häufig von den gleichen rassistischen Strukturen durchzogen, die auch den Profisport prägen. Struktureller Rassismus bleibt im Sport oft unter dem Deckmantel von „Farbenblindheit“ verborgen, denn vermeintlich soll es nur auf die Leistung der Sportler*innen ankommen. Tatsächlich werden implizite Rassismen, wie die oftmals stereotype Darstellung schwarzer Sportler*innen in der Medienberichterstattung oder die Überrepräsentation weißer Fußballspieler*innen auf Positionen, die mit Führungsqualitäten oder taktischen Entscheidungen assoziiert werden (“Racist Stacking”), kaum thematisiert. Dies mag auch an der mangelnden Repräsentation von BiPoC in den Führungsebenen des Sports liegen.
Hinzu kommen explizit rassistische Fangesänge und Äußerungen oder rechtsextreme Symbole, die nur die Spitze des Eisbergs bilden. Besorgniserregend ist nicht nur, dass eine unabhängige Beschwerdestelle für Diskriminierung im Fußball für das Jahr 2023 mehr als 95 Vorfälle mit rassistischem oder antisemitischem Hintergrund meldete, sondern auch, dass der DFB für den gleichen Zeitraum lediglich drei Fälle feststellen konnte und einen Rückgang rassistischer Vorfälle vermeldete. Hier fehlt es also bereits an einer Problemwahrnehmung.
Für Chancengleichheit im Sport
Debatten über Rassismus im Sport haben sich in der Vergangenheit symbolisch an einzelnen problematischen Äußerungen entzündet, aber nicht zu nachhaltigen und strukturellen Veränderungen geführt. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre die Schaffung von Transparenz durch eine flächendeckende Erfassung rassistischer und anderer diskriminierender Vorfälle. Außerdem können gemeinnützige antirassistische Initiativen im Sport künftig stärker gefördert werden. Öffentlichkeitswirksame Kampagnen wie das Anti-Rassismus-Projekt des DFB zur Männer- EM 2024 sowie des Deutschen Olympischen Sportbundes sind zu begrüßen. Darüber hinaus trägt eine stärkere Repräsentation von BiPoCs in Entscheidungsstrukturen dazu bei, dass nicht-weiße Perspektiven ernster genommen werden. Wichtig ist zudem eine Sensibilisierung von Vereinen, Sportgerichtsbarkeit und Schiedsrichter*innen. Sanktionen wie Stadionverbote wegen rassistischer Vorfälle sollten konsequent umgesetzt werden.
Auf diese Weise kann dazu beigetragen werden, dass der organisierte Sport Chancengleichheit und Orte der Begegnung bietet. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass diese Orte vor allem für Männer geschaffen werden, deren Disziplinen und Mannschaften in der Regel über deutlich größere Budgets und Aufmerksamkeit verfügen. Das darf bei allem Lob für den „Integrationsmotor Sport“ nicht vergessen werden.