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NRW Jusos – Beitrag

09. März 2022

Was ist eigentlich mit Intersektionalität gemeint?

Ein Beitrag über die Grundlagen des Begriffs.

Oft hören wir in feministischen Debatten den Begriff „Intersektionalität“. Dieser Begriff ist wichtig, weil er die Schnittmenge (engl.: intersection) und das Zusammenspiel verschiedener sozialer Ungleichheiten beachtet und so Lebensrealitäten ganzheitlich(er) abbildet. Gleichzeitig ist dieser Begriff bzw. das Konstrukt auch nicht sehr leicht verständlich. Eine Übersicht darüber, was mit Intersektionalität gemeint ist, woher der Begriff stammt und warum dieser Begriff für uns Jungsozialist*innen eine große Bedeutung hat, soll dieser Blogbeitrag liefern.

Wie zu Beginn schon beschrieben, geht es bei Intersektionalität, um die Verflechtung verschiedener sozialer Konstrukte wie zum Beispiel Geschlecht, Rassifizierung, Klassenzugehörigkeit, sexueller Orientierung, Behinderung oder Religion. Dabei ist das Ziel einer intersektionalen Betrachtungsweise, dass das Zusammenwirken verschiedener sozialer Ungleichheiten analysiert und veranschaulicht werden kann. Damit verbunden ist immer eine kritische Reflexion von Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Es geht demnach nicht darum, dass verschiedene Formen der Unterdrückung und/oder Benachteiligung vereinfacht aneinandergereiht werden und sich addieren, sondern darum, dass diese in ihren Zusammenhängen (Verschränkungen und Wechselwirkungen) betrachtet und beachtet werden.

Bis hierher bloße Theorie. Werden wir konkreter:

Mit der folgenden historischen Einordnung und den Beispielen lässt sich aber gewiss etwas Licht in den dunklen Theoriedschungel bringen.

Ein Beispiel ist die Lebensrealität von Women of Colour (WoC). Sie erleben andere Diskriminierungen als weiße Frauen oder Schwarze Männer. Die US-amerikanische Juristin Kimberlé Williams Crenshaw berichtete in diesem Zusammenhang von einem besonders prägnanten arbeitsrechtlichen Fall: 1979 klagte Emma DeGraffenreid gemeinsam mit anderen Schwarzen Frauen General Motors wegen Diskriminierung an, da dort keine WoC eingestellt wurden. General Motors konnte jedoch belegen, dass sie sowohl Schwarze Männer als auch weiße Frauen einstellten und somit nicht rassistisch oder sexistisch diskriminieren. Mit dieser Argumentation gewann der Automobilkonzern die Klage. Die Frustration über die Lücken des Rechts brachte Crenshaw dazu, den Begriff Intersektionalität 1989 ins Leben zu rufen.

„Ain’t I a woman?“

Die inhaltliche Diskussion wurde aber schon sehr viel früher geführt. Erstmalig in der breiten Öffentlichkeit verbalisierte 1851 die Frauenrechtlerin und ehemalige Sklavin Sojourner Truth die Problematik. Sie fragte in einer Rede auf der Frauenrechtskonvention „Ain‘t I a woman?“ (Bin ich etwa keine Frau?), womit sie die Gleichgültigkeit der Frauenbewegung gegenüber den Rechten Schwarzer Frauen und die Ignoranz in Bezug auf die Kategorie Klasse kritisierte.

Dass verschiedene Formen der Ausbeutung (insbesondere Sexismus, Rassismus und Klassismus) von Menschen untrennbar miteinander verbunden sind, erkannte auch Rosa Luxemburg an. Sie maß dabei der Kategorie Klasse eine zentrale Bedeutung zu, da der Kapitalismus der Rahmen ist, in dem sich andere Unterdrückungsformen wie Sexismus und Rassismus entfalten können.


Um nochmal zu verdeutlichen, wobei es um intersektionaler Diskriminierung geht, wird ein weiteres Beispiel aufgeführt: die Zwangssterilisation. In Deutschland sind davon Frauen mit Behinderung betroffen, also weder Männer mit Behinderung noch Frauen ohne Behinderung. Demnach handelt es sich um eine Überschneidung von Sexismus und Ableismus. In Tschechien bzw. ehemals der Tschechoslowakei, waren es Romnja, also Frauen aus der Roma-Community, die aufgrund rassistischen und sexistischen Gedankenguts zwangssterilisiert wurden.  

Warum ist dieses Wissen wichtig für unsere politische Arbeit?

Es ist wichtig, weil unser sozialistischer Feminismus alle Formen der Unterdrückung abschaffen möchte. Eine intersektionale Betrachtungsweise verdeutlicht uns, dass Diskriminierungserfahrungen von Frauen nicht auf einzelne Diskriminierungsformen reduziert werden können, sondern sich bestimmte soziale Merkmale überschneiden und so die Lebensrealitäten von Frauen beeinflussen. Um dies in unserem feministischen Kampf zu berücksichtigen, müssen wir die untrennbar miteinander verwobenen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen anerkennen und bei unserem obersten Kampf gegen das kapitalistische System, welches die Ungleichheiten befeuert, berücksichtigen.

Nur so können wir für eine Welt der Freien und Gleichen für ALLE kämpfen.

Hier findet ihr unsere Beschlüsse und Blogbeiträge zu dem Thema:


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