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NRW Jusos – Beitrag

21. März 2021

Das beschlossene Kopftuchverbot in der Justiz – Ein Plädoyer für den intersektionalen Feminismus

Das im Landtag beschlossene „Justizneutralitätsgesetz“ und das darin implizierte Kopftuchverbot für Justizbeschäftigte ist nicht nur antifeministisch, sondern auch rassistisch!

Am 03.03.2021 hat der Landtag mit einer breiten Zustimmung der CDU, FDP, AfD und der Enthaltung der SPD einer sogenannten „Stärkung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen“ zugestimmt. Ziel des vom Landtag beschlossenen Gesetzes ist das Verbot von „religiöser oder weltanschaulich konnotierter Kleidung in der Justiz“. Welche Gruppe von Personen das diskriminierende Verbot hier insbesondere ins Visier nimmt, ist kaum zu übersehen. Das beschlossene Gesetz bedeutet quasi ein Berufsverbot für muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen. Dieses Gesetz ist aus zwei wesentlichen Aspekten problematisch.

Das Gesetz hat einen antifeministischen Charakter, denn es diskriminiert muslimische Frauen intersektional – Von dem Recht auf Selbstbestimmung keine Sicht

Wenn es in dem Kampf um die Gleichstellung und eine daraus resultierende Chancengerechtigkeit für Frauen geht, sind in Deutschland offensichtlich nicht alle Frauen gemeint. Das macht der Gesetzesbeschluss deutlich, denn mit ihm geht eine Schwächung des Rechts auf Selbstbestimmung für muslimische Frauen einher, welche einen Hijab tragen. Denn Muslimas werden mit dem Gesetz gezwungen, sich vor die Wahl zu stellen. Entweder müssen sie ihren Hijab ablegen, oder das Studium, Referendariat oder ihren Job im Justizbereich aufgeben. Dieser entstehende Zwang und das damit verwehrte Recht auf Selbstbestimmung verdeutlicht die auftretende Gleichzeitigkeit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der Religion. Aus zahlreichen Studien der letzten Jahre ist zu entnehmen, dass gerade Muslimas, welche einen Hijab tragen, mit einer enormen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind. So müssen sich Hijab tragende Muslimas beispielsweise 4,5-mal häufiger bewerben als Frauen, die kein Kopftuch tragen (vgl. neue deutsche organisationen e.V.). Dass diese Diskriminierung mit dem beschlossenen Gesetz nun weiterhin zementiert wird, stößt auf Widerspruch zu unserem in Deutschland ständig hochgepriesenen Anspruch auf gleiche Teilhabechancen. Die systematische Exklusion und Repression machen somit eine gerechte Teilhabe kaum möglich.

Nennen wir es beim Namen – Antimuslimischer Rassismus, eine lange deutsche Tradition

Die Debatte um das Kopftuch ist keine neue. Sie wird in Deutschland nun schon Jahrzehnte geführt. Interessant ist dabei eben auch, wer diese Debatten führt und wie sie geführt werden. Die Stereotypisierung und herablassende Fokussierung auf Hijab tragende Muslimas wird dabei oftmals als Mittel genutzt, um islamfeindliche Denkmuster zu verfestigen und Hijab tragende Muslimas auf ihre „äußere Erscheinungsform“ zu reduzieren. Bekannte Femonationalist*innen nutzen dafür oft das Narrativ der „unterdrückten Frau, die sie retten müssten“. Es sind also vor allem nichtbetroffene Personen, die über Teilhabechancen von Betroffenen entscheiden und den Rahmen für eine sogenannte „Neutralität“ setzen. Tragisch ist hierbei vor allem, dass die weiße Deutungshoheit anmaßend darüber bestimmt, dass eine Muslima, die einen Hijab trägt, in der Ausübung ihres Berufs keine Neutralität wahren könne. Die Infragestellung dessen befördert nicht nur rassistische Ressentiments gegenüber muslimischen Frauen – das beschlossene Gesetz lässt sie verstummen und macht sie unsichtbar – es reproduziert und verfestigt patriarchale Machtstrukturen, in dem es nicht-weißen, Hijab tragenden, muslimischen Frauen den Zugang in Strukturen verwehrt, in denen sie sowieso schon unterrepräsentiert sind.


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