NRW Jusos – Blog
Stadt für alle? Was eine feministische Stadtplanung bedeuten kann
Unsere Städte betreffen jeden Aspekt unseres täglichen Lebens – von den Wegen, die wir zur Arbeit nehmen, bis hin zu den öffentlichen Räumen, in denen wir unsere Freizeit verbringen. So gut wie nichts in unseren Städten ist zufällig. Die Stadtplanung formt, wie unsere Städte aussehen, wer leicht dorthin kommt und wer sich dort wohl fühlt. Leider waren Stadtplanung und Architektur in Deutschland bis in die 70er Jahre eine ziemliche Männerdomäne. Das Ergebnis: eine überwiegend männliche Sichtweise, die sich in der Gestaltung unserer Städte zeigt.
Im Gespräch über eine „Stadt für alle“ müssen wir uns bewusst sein, dass unsere Städte aktuell nicht alle Bedürfnisse abdecken oder gar die Vielfalt ihrer Bewohner*innen widerspiegeln. Jede*r kennt doch die Situation: Man ist unterwegs oder chillt mit Freund*innen im Park und muss mal aufs WC. Nur, dass es weit und breit keine Toilette gibt. Blöd ist diese Situation für alle. Doch besonders für Menschen mit kleinen Kindern, Menschen mit Behinderungen oder menstruierende Personen kann das Fehlen zugänglicher Toiletten von einer Unannehmlichkeit schnell zu einem ernsthaften Problem werden. Oft wurden diese Gruppen in der Planung nicht berücksichtigt, was zeigt, dass Stadtplanung auch Geschlechterfragen berührt.
Ein weiteres Beispiel: Oft haben FINTA (Frauen, Inter, Nichtbinäre, Trans* und Agender) ein Gefühl der Unsicherheit, insbesondere wenn sie sich durch schlecht beleuchtete oder schwer zugängliche Orte bewegen müssen. Ein Projekt von Kinderhilfsorganisation Plan International hat das aufgegriffen: 940 FINTA haben in Städten wie Hamburg, Berlin, München und Köln auf interaktiven Karten über 1200 Bereiche markiert, in denen sie sich unsicher fühlen. Diese Aktion hat nicht nur die Problematik sichtbar gemacht, sondern auch einen wichtigen Dialog über notwendige Verbesserungen in der Stadtplanung angestoßen.
Etwa bei der Gestaltung von Sportplätzen. Auch hier spiegelt sich oft eine geschlechtsspezifische Voreingenommenheit wider. Fußballkäfige etwa sind traditionell auf die Bedürfnisse von Jungen und Männern zugeschnitten. Für FINTA sind diese geschlossenen Räume eher abschreckend, falls sie überhaupt zugänglich sind. Die Stadt Umeå in Schweden hat dieses Problem auch erkannt. Um allen Jugendlichen den Zugang zu den Sportanlagen zu ermöglichen, wurden die Räume an bestimmten Tagen für Mädchen und Frauen reserviert. Zu Beginn gab es Beschwerden, aber die Mitgliederzahlen von Mädchen und Frauen in lokalen Fußballvereinen sind deutlich gestiegen. Heute trainieren dort fast genauso viele weibliche wie männliche Fußballspieler*innen, was zeigt, wie die räumliche Zugänglichkeit unsere Realität verändern kann.
Das Konzept der feministischen Stadtplanung
Feministische Stadtplanung zielt auf eine inklusive Gestaltung ab, die jede Stimme und Lebenssituation einbezieht. Sie setzt sich für eine Stadtentwicklung ein, die den Menschen dient, nicht Konzerninteressen oder nur dem Autoverkehr. Unsere Städte sollen mehr sein als nur Wege von A nach B; sie sollen Orte sein, in denen wir gut leben und uns wohlfühlen können.
Um unsere Städte für alle besser zu machen, ist es entscheidend, jede Perspektive in die Planung einzubeziehen – besonders jene, die oft übersehen werden. Wir müssen genau schauen, was die Menschen in der Stadt brauchen. Ein wichtiger Fokus liegt darauf, den Zugang zu Fuß- und Radwegen sowie zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu erleichtern, damit diese für alle zu jeder Zeit attraktiv sind. Es geht darum, dass Wege zur Arbeit, Kita und Schule kurz gehalten werden. Außerdem ist es wichtig, dass es viele unterschiedliche Arten von Ladenlokalen gibt und dass Fußgänger*innen sichere Bereiche zum Laufen haben. Außerdem soll der Zugang zu kostenlosen, hygienischen Toilettenanlagen sichergestellt werden. Dazu zählen natürlich auch Einrichtungen wie Wickeltische und Stillräume für Eltern. Uns muss klar sein, dass auch der Wert von Care-Arbeit sich in unseren räumlichen Strukturen widerspiegelt. Diese Forderungen sind uns als Jusos ja nicht unbekannt. Es geht darum, sie auch konsequent umzusetzen.
Eine feministische Stadtplanung fängt mit der (Aus-)Bildung an.
Auch Berufe im Bauwesen werden häufig noch als stereotypisch männlich wahrgenommen. Dazu zählen zum Beispiel Bauingeneur*innen, Architekt*innen und Stadtplaner*innen. Der Blick darauf ist jedoch im Wandel: Während noch immer überwiegend Männer Bauingenieurwesen studieren, ist die Verteilung in der Raumplanung etwa gleich, für ein Architekturstudium sind sogar mehr Studentinnen als Studenten eingeschrieben. Zum aktuellen Zeitpunkt fehlen oft noch die weiblichen Perspektiven, aber die Verteilung in den Studiengängen stimmt optimistisch, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird.
Wien als feministische Stadt
Wer sich fragt, wie das funktionieren soll, kann gerne nach Wien schauen. Wien gilt international als Beispiel für erfolgreiche feministische Stadtplanung. Bereits in den 1990er Jahren wurden hier Konzepte umgesetzt, die auf die Bedürfnisse aller Stadtbewohner*innen Rücksicht nehmen. In Wien wurde früh erkannt, dass Planung nie geschlechtsneutral, geschweige denn frei von Wertungen und Vorurteilen ist. Besonders spannend sind die Wohnquartiere im Stadtbezirk Floridsdorf. Sie haben anpassbare Grundrisse. In den unterschiedlichen Lebensphasen kann man seine Wohnung so neu anpassen. Zudem haben die Wohnungen Küchenerker in Richtung des Innenhofs. Die begrünten Innenhöfe fördern nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch die Sicherheit und das Wohlbefinden im Quartier. Das Innere des Bezirks ist zudem komplett autofrei. Aber das Projekt steht nicht für sich allein: Die Stadt hat eine eigene Handreichung über Gender Planning veröffentlicht, die Ziele und Qualitätsmerkmale sowie eine Sammlung übertragbarer Methoden und Instrumente beinhaltet. Alle Projekte der Stadt werden unter geschlechtsspezifischen Aspekten unter die Lupe genommen, sodass mittlerweile eine ganze Reihe Projekte umgesetzt sind. Die Tatsache, dass Wien eine der lebenswertesten Städte der Welt ist, spricht für sich.
Die Rolle der Kommunalpolitik
Feministische Stadtplanung beginnt im kleinsten Dorf und reicht bis in die Großstädte. Doch in vielen Planungsausschüssen dominieren nach wie vor – manchmal sogar ausschließlich – Männer. Für FINTA kann es richtig anstrengend sein, sich dort einzusetzen. Aber der Kampf um Anerkennung und Mitsprache ist für FINTA nicht neu. Der Weg mag lang sein, doch mit jeder Kommunalwahl bietet sich die Chance, die Verhältnisse neu zu gestalten. Als sachkundige*r Bürger*in kann man jederzeit aktiv werden. Es ist entscheidend, feministische Stadtplanung genau dort voranzutreiben, wo sie am meisten benötigt wird: in veralteten Strukturen, die von Männern geprägt wurden, welche über Jahrzehnte die Entscheidungen über die Gestaltung unserer Städte getroffen haben. Mehr Vielfalt in den Ausschüssen macht einen bedeutenden Unterschied. Wir machen den Unterschied.