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NRW Jusos – Magazin

19. September 2023

Zuhause

Viele denken, Kommunalpolitik sei langweilig und nur etwas für ältere Semester. Doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein! Gerade auf kommunaler Ebene hast du die Möglichkeit, direkt etwas zu bewegen und die Lebensbedingungen in deiner Stadt oder Gemeinde positiv zu verändern. Ob es um bezahlbaren Wohnraum, eine bessere Bildungslandschaft oder mehr Grünfl.chen geht – in der Kommunalpolitik kannst du deine Vorstellungen von einer lebenswerten Stadt aktiv mitgestalten.

Aber was erwartet dich wirklich, wenn du als junger Mensch für den Stadtrat kandidierst? Und wie sieht der Alltag einer kommunalen Mandatsträgerin aus? Die Vorbereitungen für die Aufstellung zur Kommunalwahl laufen an vielen Orten auf Hochtouren. Sitzt du demnächst im Rathaus und entscheidest mit, wie deine Kommune vor Ort aussieht?

Um dir einen Einblick zu ermöglichen, was Kommunalpolitik bedeutet, haben wir mit Audrey Dilangu, Lia Kirsch und Sabrina Proschmann drei Juso-Kommunalpolitikerinnen interviewt, die bereits erfolgreich in ihren Kommunalparlamenten arbeiten. Sie erzählen von ihren Erfahrungen, Herausforderungen und Erfolgen.

Lass dich von ihren Geschichten inspirieren und erfahre, wie du als Juso ebenfalls den Sprung in die Kommunalpolitik schaffen kannst!

Audrey Dilangu (29) war bis zuletzt Mitglied im Rat der Stadt Dinslaken, Mitglied des Integrationsrats und aktiv im Sozialausschuss sowie im Kultur-, Partnerschafts- und Europaausschuss.

Lia Kirsch (27) ist Mitglied des Rates der Stadt Münster und SPD-Fraktionsvorsitzende. Darüber hinaus ist sie Wohnungs-, Finanz-, Wirtschafts- und Liegenschaftspolitische Sprecherin.

Sabrina Proschmann (32) ist Mitglied im Rat der Stadt Düsseldorf, Co-Vorsitzende der SPD-Fraktion und Mitglied im Wohnungs-, Verkehrs- und Sozialausschuss.

Wie war dein Weg in die Kommunalpolitik?

Audrey: Ich habe mich schon immer für kommunalpolitische Themen interessiert und die kommunale Ebene als die „Schule der Demokratie“ gesehen, auf der man eben direkt und leichter für das gute Leben für alle kämpfen kann. Ich hatte das Glück, in einem guten Ortsverein verankert zu sein, in dem ich viel Empowerment erfahren durfte und für das Mandat vorbereitet wurde. Dadurch war mein Weg in die Kommunalpolitik geebnet.

Sabrina: Ich bin ehrlich gesagt ziemlich spät zur Politik gekommen, ich war schon 25. Mein Studium in Flensburg hat mich für europäische Politik begeistert. Erst nachdem ich in Düsseldorf in meinem Ortsverein Fuß gefasst habe, habe ich wirklich mein Interesse an Kommunalpolitik entdeckt. Daran, vor Ort was zu verändern. Dank eines wirklich tollen Ortsvereins wurde das auch unterstützt.

Lia: Ich bin mit 16 Jahren zur Kommunalpolitik gekommen. Der Bus zur Schule fuhr nur unregelmäßig und auch sonst wollte ich meine Perspektive als junger Mensch einbringen. Als ich zum Studium nach Münster gegangen bin, ging es mir ähnlich. Ich möchte meine Perspektive einbringen und zeigen, dass es auch noch andere Blickwinkel gibt. Bringen wir die Interessen junger Menschen nicht mit ein, kann es sein, dass sie vergessen werden.

Was war dein erster Antrag bzw. dein erstes Projekt?

Audrey: Ich habe im Jahr 2020 mein Mandat angetreten. Das war eine Zeit, die durch die Corona- Pandemie gekennzeichnet war. Viele richtige und wichtige Verordnungen haben Menschen individuell getroffen. Eine meiner ersten Initiativen war die über die Stadtverwaltung koordinierte Ausgabe von kostenlosen FFP2-Masken an Menschen, die sich diese nur schwer leisten konnten.

Sabrina: Ich bin seit 2020 im Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf und mittlerweile Co-Vorsitzende der Ratsfraktion. Meine erste Rede im Rat habe ich zur Aussetzung der Schuldenbremse in Düsseldorf gehalten. In meinem ersten größeren Projekt ging es um Azubiwohnen, konkret darum, dass die Stadt ein eigenes Wohnheim baut. Das will die SPD-Ratsfraktion und auch der DGB schon länger, aber es ist ein Projekt mit erstaunlich vielen Hürden – vor allem dafür, dass es ja alle angeblich wollen. Wir haben es auch immer noch nicht durchgesetzt. Es ist uns allerdings gelungen, an einigen Orten Azubiwohnen in Neubauprojekte aufzunehmen. So entstehen wenigstens ein paar Wohnungen.

Lia: Ich bin seit 2020 im Rat der Stadt Münster. Erst war ich stellvertretende Fraktionsvorsitzende, jetzt bin ich Fraktionsvorsitzende, sogar eine der jüngsten in Deutschland. Mein erstes großes Projekt war ein Kulturticket für alle jungen Menschen in Münster. Für Studierende gab es dieses Ticket bereits. Das heißt, Studierende können kostenlos ins Theater, vergünstigt ins Kino, kostenlos zu den Spielen des SC Preußen Münster, Basketball und Volleyball und vielem mehr. Was die Uni schafft, das sollten wir als Stadt auch für alle jungen Menschen in Münster anbieten können, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Das Ticket ist beschlossen und wird nun bald eingeführt. Ein weiteres großes Projekt war es, das 365-Euro-Ticket in Münster einzuführen. Mit diesem Ticket ist es möglich, für 1 Euro am Tag den ÖPNV in Münster zu nutzen. Eine Erleichterung für viele.

Wie sieht exemplarisch eine politische Woche bei dir aus?

Audrey: Das kommunalpolitische Ehrenamt ist keine leichte Sache, da die Sitzungsdichte sehr eng getaktet ist. Gerade die Sitzungswochen sind gefüllt mit Fachausschusssitzungen, Arbeitskreissitzungen, Fachveranstaltungen und regulären Ratssitzungen. Neben all dem kommt dann natürlich auch noch das private und berufliche Arbeitspensum hinzu.

Sabrina: Eine politische Woche startet bei mir montags immer mit den Sitzungen des Fraktionsvorstandes und der Fraktion. Danach ist es meistens ziemlich abwechslungsreich. Die Tage und Abende füllen Ausschuss- und Kommissionssitzungen, Gespräche mit den eigenen Ratskolleg*innen, Beigeordneten, anderen Fraktionen, Bürger*innen und Parteitermine. Das heißt, dass mein Tag meistens früh beginnt, damit ich vor der Arbeit noch meinen politischen Tag durchgehen kann, und meistens spät endet. Es ist durchaus eine Herausforderung und die Woche macht definitiv mehr Spaß, wenn sie am Wochenende gut vorbereitet wurde.

Lia: Eine politische Woche kann bei mir sehr unterschiedlich aussehen. Ich bin Fraktionsvorsitzende, was von der Stundenzahl in einer Woche manchmal einem Halbtagsjob und mehr einnehmen kann. In einer Woche habe ich verschiedene Jour-Fixe mit den Dezernent* innen der Stadt, Fraktionssitzung, Sitzung in meinen Ausschüssen, vorbereitende Termine der Ausschusssitzungen, Termine mit Akteur*innen der Stadtgesellschaft und Termine mit der Partei. Alle diese Sachen muss ich im besten Fall auch vorbereiten. Zusätzlich kommen noch Gespräche mit einzelnen Fraktionsmitgliedern, Mitgliedern der anderen Fraktionen und Gespräche innerhalb unserer Koalition (Wir “regieren” zusammen mit Grünen und Volt).

Es ist also viel zu tun und man muss darauf achten, nicht zu überlasten. Wenn das funktioniert, kann man viel erreichen und Spaß am Mandat haben.

Was war dein größter kommunalpolitischer Erfolg?

Audrey: Eine weitere erste Initiative von mir war der Einsatz für kostenlose Menstruationsprodukte in öffentlichen Einrichtungen in Dinslaken. Diese Initiative gehörte zu einem meiner Herzensprojekte, weil ich damit auch das Thema Periodenarmut sichtbar machen konnte.

Sabrina: Wir haben in Düsseldorf eine Wohnungsbauoffensive. Bis 2030 sollen 8.000 bezahlbare Wohnungen entstehen. Dazu kommen Orte für die Nachbarschaft in jedem Stadtbezirk. Das habe ich federführend ausgehandelt und darf nun die Umsetzung vorantreiben, obwohl wir in Düsseldorf in der Opposition sind.

Ich bin aber auch stolz, dass ich es geschafft habe, mir in kurzer Zeit ein echtes Standing zu erarbeiten. Es ist zwar auch traurig, dass es notwendig war, aber manchen Ratsherren musste dieser Respekt echt abgerungen werden. Ich hoffe, dass ich so den Weg für andere junge Frauen etwas leichter gemacht habe.

Lia: Mein größter kommunalpolitischer Erfolg ist das Kulturticket für junge Menschen, das 29- Euro Ticket für Münster und das klare Kämpfen gegen jeden Antisemitismus in unserer Stadt. Besonders freue ich mich aber, dass ich sichtbar machen kann, dass es junge Frauen in der Politik braucht. Du muss nicht Ü60 sein, um etwas in deiner Stadt bewegen zu können.

Was ist dein Tipp für Jusos, die kandidieren wollen?

Audrey: Es ist unheimlich wichtig, ein stützendes Netzwerk zu haben, das einen trägt, wenn es mal nicht so gut läuft und das dir Hoffnung macht. Jusos in der Kommunalpolitik haben es oft schwer, die stoßen auf die unschöne Realität politischer Repräsentationsverhältnisse – die weiß, alt und männlich sind. Dagegen anzukämpfen kann zugleich zermürbend und motivierend sein.

Sabrina: Engagiere dich bei deinem Ortsverein! Da die Ortsvereine für die Aufstellung zuständig sind, ist es wichtig, dass du dort gut verankert bist. Gut ist auch, im Stadtteil vernetzt zu sein. Die Vereine sollten dich kennen.

Schau dir vorher an, was man eigentlich im Rat und den Ausschüssen so macht und was alles dazu gehört. Das wird einen Großteil deiner Zeit einnehmen – so grundsätzlich solltest du Spaß an dieser Art Arbeit haben. In den öffentlichen Sitzungen siehst und lernst du noch einmal ganz andere Dinge als bei Partei- oder Juso-Sitzungen.

Such dir Menschen, die mit dir politisch durchs Feuer gehen und bei denen du auch allen Frust rauslassen kannst. Und genauso brauchst du auch Menschen in deinem Leben, deren Leben nicht von (Kommunal-)Politik bestimmt ist und die dich aus der “Blase” rausholen.

Lass dir am Anfang Einarbeitungszeit. Du musst nicht sofort alles perfekt können. Und hab den Mut, Sachen auch anders zu machen. Nicht jeder Tipp, wie das seit Jahrzehnten gemacht wird, ist auch ein guter. Und meiner Erfahrung nach kommen viele Tipps:)

Lia: Überlege dir, warum du kandidieren willst! Suche dir ein Netzwerk, das dich trägt. Das Netzwerk muss nicht groß sein, aber es muss Bestand haben, und du musst die Möglichkeit haben, dich den Leuten dort anvertrauen zu können. Überlege dir, was du einbringen willst, und zwar nicht nur an Themen, sondern besonders auch an Zeit. Es ist ein Ehrenamt und man kann darin untergehen, denn weitere Themen, Anträge und Dinge, die zu tun sind, finden sich immer.

Bleibe bei dir und achte darauf, dass deine Grenzen nicht übergangen werden und ob dir das Ganze Spaß macht. Vergiss nicht, dass du jederzeit aufhören kannst. Es ist ein Ehrenamt! Vergiss nicht, dass du auch noch ein anderes Umfeld außerhalb der Politik hast! Kümmere dich um dieses Umfeld. Mach dich nicht von der Politik abhängig! Das Wichtigste ist aber, Spaß an der Sache zu haben!

Wenn du dir unsicher bist, ob du das Zeug dazu hast, zu kandidieren, dann frag Leute, denen zu vertraust. Überlege dir, was dich abhält. Wenn es nur die Unsicherheit ist, würde ich dir raten, es zu machen. Was hast du zu verlieren? Aufhören kannst du immer und die Erfahrung zu sammeln kann spannend sein!


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