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NRW Jusos – Beitrag

29. Juli 2020

Lukaschenkos Zeit ist abgelaufen – Solidarität mit den Protesten in Belarus!

Die Proteste in Belarus halten an. Jedes Wochenende gibt es neue Meldungen darüber, dass sie wieder zu Zehn- und Hunderttausenden auf den Straßen gegen die Despotie Lukaschenkos demonstrieren. Das System, das über 26 Jahre die letzte Diktatur Europas stützte, bröckelt. Solche Proteste gab es in den vergangenen Jahren in Belarus immer wieder. Diesmal scheint es anders zu sein. Es ist nicht nur der Unmut über die offensichtlich manipulierte Präsidentschaftswahl, vor der er seine Konkurrent*innen reihenweise aus dem Weg schaffen ließ. Galt er lange einem Großteil der Bevölkerung als „Batka“, als „Väterchen“, der Stabilität und Wohlstand gewährleistet, wenden sich zunehmend mehr Menschen nach Jahren der Krise enttäuscht von ihm ab. Vor allem junge Belarussinnen haben den Stillstand satt und streben nach Demokratie, Freiheit und Fortschritt.

Doch jedes Wochenende gibt es genauso neue Meldungen über festgenommene Demonstrant*innen, von Misshandlungen und Folter. Das System wehrt sich. Lukaschenko nutzt alle Möglichkeiten seines Machtapparates, um die Opposition zu schwächen. In- und ausländischen Journalist*innen grundlos die Akkreditierungen zu entziehen, ist nur eine Methode. Die Loyalität in den Sicherheitsbehörden ist groß, nur Niedrigrangige quittierten bisher ihren Dienst. Lukaschenko verwehrt sich jedem Dialog der Opposition, flüchtet sich in wüste Schimpftiraden und droht den Mitgliedern des Koordinierungsrates öffentlich. Er hat dafür gesorgt, dass fast der gesamte Koordinierungsrat, ein von politischen und zivilgesellschaftlichen Oppositionellen gegründetes Gremium, von der Bildfläche verschwunden ist. Vier von ihnen sitzen im Gefängnis, zwei wurden aus dem Land getrieben. Selbst in der Ukraine und in Polen stellt der belarussische Geheimdienst KGB ihnen nach. Die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch ist die einzige von ihnen, die noch in Belarus und in Freiheit ist.

All das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass die Luft für Lukaschenko immer dünner wird. Denn auch wenn Lukaschenko seine Muskeln spielen lässt, deutet kaum etwas darauf hin, dass sich die Demonstrant*innen davon irgendwie beeindrucken lassen. Diese Bewegung profitiert von ihrem Zusammenhalt. Und sie profitiert von Eigenschaften, die sich in den Machtetagen Belarus‘ kaum finden: Sie ist jung und weiblich. Die Bilder von protestierenden Frauen, der Kontrast zur patriarchalen Autokratie Lukaschenkos, sind Symbol der Bewegung.

Von vermeintlichen Zugeständnissen Lukaschenkos werden sie sich wohl eher nicht beeindrucken lassen. Sie stehen keineswegs, wie Lukaschenko immer wieder zu suggerieren versucht, für einen gewaltvollen Umbruch. Sie streben einen friedlichen Übergang an, die Demokratisierung der Gesellschaft, das Ende der Diktatur. Die Gewalt geht von den Sicherheitskräften aus, die schon vor den Demonstrationszügen potenzielle Teilnehmer*innen brutal festnehmen. Allein die Möglichkeit, dass man sich zu einer Demonstration begeben könnte, kostet sie die Freiheit. In einigen Fällen schoss die Polizei sogar mit scharfer Munition auf Demonstrant*innen.

Wie geht es also nun weiter? Lukaschenko wird auf Zeit spielen und weiter versuchen, die Bevölkerung zu spalten, wo es nur geht. Die Generalstreiks, bei denen hunderttausende Beschäftigte im ganzen Land die Arbeit niederlegten, brach er mit der Androhung von Massenentlassungen in den staatlichen Betrieben. Lehrer*innen, die sich nicht zur Staatsideologie bekennen, sollen aus dem Dienst entfernt werden. Aus der EU darf es deshalb nicht nur bei Solidaritätsbekundungen bleiben. Es ist richtig, dass die Mitgliedsstaaten mit einer Stimme sprechen, die Gewaltexzesse verurteilen und Neuwahlen fordern. Doch es muss endgültig Schluss sein mit dem Appeasement gegenüber Lukaschenko. Seine Schaukel-Taktik zwischen der EU und Russland hat ihm zu lange den Verbleib im Amt ermöglicht. Es darf nicht mehr nur der Dunstkreis von ein paar hundert politisch Verantwortlichen um Lukaschenko mit Sanktionen belegt werden, sie müssen ihn direkt treffen. Das wäre eine Form praktischer Solidarität, die der Bewegung helfen könnte. Das ist die EU nicht nur den Demonstrierenden schuldig, sondern auch den baltischen Mitgliedsstaaten, die aus Solidarität und geopolitischen Gründen bereits Einreiseverbote gegen Lukaschenko und weitere belarussische Politiker*innen verhängt haben. „Wir sind stärker als diese Greise!“ – ein Ausruf einer Demonstrantin, der den Geist der Demokratiebewegung atmet. Auch aus jungsozialistischer Perspektive müssen wir also dafür sorgen, dass die europäische Sozialdemokratie an ihrer Seite steht. Für Demokratie und Menschenrechte, für ein Ende der Schreckensherrschaft Lukaschenkos.


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