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NRW Jusos – Beitrag

25. Mai 2020

Rassismus sehen, Antirassismus leben

Anlässlich unserer Thementage zu Rassismus beschäftigen wir uns unter anderem mit der Frage, was weiße Menschen und gerade wir als Jusos zusammen dazu beitragen können, Antirassismus noch mehr innerhalb und außerhalb unseres Verbandes zu leben. Vorab soll gesagt werden, dass dieser Text natürlich nicht vollständig sein kann und dass ich als weiße Autorin die Diskriminierung durch Rassismus nicht in Gänze beschreiben kann. Dennoch finde ich es wichtig, dass wir uns alle Gedanken dazu machen, was wir gegen Rassismus tun können, um uns auch als Verbündete zu verstehen. Denn ich denke, genauso wie es im Feminismus wichtig ist, dass Männer an der Seite der Frauen kämpfen, ist es beim Antirassismus wichtig, dass weiße Menschen sich nicht aus der Verantwortung ziehen, etwas an den gegebenen Verhältnissen zu ändern. Es wäre schön, wenn dieser Beitrag einen Anstoß dazu geben kann, dass wir tiefergehend über Rassismus und seine Folgen innerhalb unseres Verbandes und der SPD sprechen.

Es gibt viele Dinge, die wir in unserer Gesellschaft ändern müssen, um wirklich gegen Rassismus wirken zu können. Bei sich selbst anzufangen ist dabei sicherlich ein wichtiger Schritt, wenn auch ohne Frage politische Entscheidungen die großen Gesamtverhältnisse ändern müssen. Aber gerade als politischer Mensch sollte man das eigene Denken und Handeln kritisch hinterfragen, um einen sensibleren Blick für Ungerechtigkeiten zu entwickeln. Und ja, ich denke es tut weh zu erkennen, dass man selbst rassistisch sein kann, gerade wenn man sich als links definiert. Aber ich denke auch, dass schon mal einiges damit getan ist, anzuerkennen, dass man eben auch ein Produkt dieser Gesellschaft ist und sich dann darüber Gedanken zu machen und zu versuchen eigene Muster aufzubrechen.

Geholfen hat mir dabei unter anderem das Buch von Alice Hasters „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen. Aber wissen sollten.“ Hasters beschreibt ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus als schwarze Frau in Deutschland, geht aber auch tiefer in Analysen und öffnete mir dabei die Augen für manche gesellschaftliche Umstände. Sei es der deutsche Geschichtsunterricht, in dem die Kolonialgeschichte einseitig aus deutscher Perspektive betrachtet wird, sei es das Gefühl, sich in Deutschland nicht wahrgenommen zu fühlen, weil es beispielsweise kaum Friseur*innen für Afrohaare gibt oder die Tatsache, dass es kaum Werbung und Filme gibt, in denen man sich selbst wiedererkennt, weil man einen weißen Vater und eine schwarze Mutter hat oder sei es die Art und Weise, wie oft über nicht-weiße Menschen im Sport gesprochen wird, indem ihr Können auf ihr Schwarzsein reduziert wird und nicht auf ihr hartes Training oder Talent. Am Besten liest man diese Ausführungen aber selbst in ihrem Buch nach, da diese Perspektiven wirklich sehr eingängig und gut beschrieben werden.

Was mich viel zum Nachdenken gebracht hat ist, dass wir diesen Erfahrungen und Gefühlen von BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) zu wenig Raum geben. Dass wir als Gesellschaft zu selten darüber sprechen und dass wir, wenn wir damit in Berührung kommen, diese Gefühle häufig nicht ernst nehmen und teilweise anfangen, Gründe zu suchen, warum das jetzt nicht so schlimm sei. Weil wir uns als weiße Person nicht in die Lage versetzen können, wie es sein muss, rassistisch diskriminiert zu werden, hinterfragen wir teilweise die Erfahrungen und Gefühle von BIPoC. Und das scheint jetzt naheliegend zu klingen und das ist es sicherlich auch, aber es muss noch viel mehr Platz finden: Zuhören, ernstnehmen, nicht anzweifeln.

Und das Gute ist ja, dass wir als Verband uns nicht als einzelne Personen ins stille Kämmerlein setzen müssen, um uns darüber Gedanken zu machen, sondern wir können gemeinsam etwas bewegen. Wir können Diskussionsräume schaffen und Bildungsveranstaltungen anbieten, die antirassistische Arbeit behandeln oder mitdenken und damit auch die Sichtbarkeit von BIPoC im Verband erhöhen. Wir können aktiv Raum bieten, um Rassismuserfahrungen zuzuhören, eine Vernetzung anstoßen, BIPoC konkret in politischen Forderungen mitdenken oder ihre Perspektive miteinbeziehen, indem zum Beispiel BIPoC-Autor*innen besprochen oder Referent*innen eingeladen werden.

Am 19.05. haben wir uns als NRW Jusos in einem Online-Interview unter anderem mit diesen Fragen beschäftigt. Berat aus dem Landesvorstand hat mit Sarah Mohamed, Co-Vorsitzende der Jusos Bonn, Rachid Khenissi, Mitglied des Bezirksvorstands der Jusos Hessen-Süd und Sinem Taşan-Funke, stellvertretende Landesvorsitzende der Jusos Berlin, über das Leben als BIPoC in Deutschland, aber auch bei den Jusos gesprochen.

Die vier haben sich über verschiedene Probleme unterhalten, die ihnen im Laufe ihrer politischen Arbeit aufgefallen sind. Rachid berichtete unter anderem von seinem Eindruck, dass höhere Ansprüche an BIPoC gestellt werden und oft mit zweierlei Maß gemessen wird. So wird BIPoC häufiger etwas krummgenommen, was bei Weißen durchgeht. Sinem ergänzt: „Es braucht mehr Verständnis für die politische Sozialisierung am Anfang, das ist Teil des Prozesses, den müssen wir mit gleicher Geduld und Hinwendung auch bei BIPoC begleiten.“

Außerdem findet Rachid es belastend, wenn man darauf reduziert wird, dass man ein BIPoC ist. Sei es, als Sprachrohr für eine ganze Community oder gar für alle BIPoC zu gelten oder als Expert*in für bestimmte Themen, wie beispielsweise Konflikte in verschiedenen Regionen der Welt. Sarah würde sich mehr Bereitschaft wünschen, Problemen und persönlichen Verletzungen zuzuhören und diese auch anzunehmen sowie Interesse an der Lösungssuche zu zeigen und nicht gleich zu widersprechen.

Und natürlich wurde in dem Gespräch auch über Ideen gesprochen, was im Verband für BIPoC-Mitglieder getan werden kann. So haben die Jusos Berlin bereits eine PoC-Vernetzung und Sarah hatte letztes Jahr auf der Landeskonferenz der NRW Jusos eine Women of Color-Vernetzung angestoßen. Anfang Mai war eigentlich auch eine Vernetzung auf Bundesebene geplant, die leider verschoben werden musste. Alle freuen sich über diese Formate und sehen darin großes Potenzial, um BIPoC im Verband zu empowern. Doch das Empowerment muss auch konkret von Einzelpersonen ausgehen. Es muss ein Bewusstsein dafür geben, BIPoC an die Hand zu nehmen, wenn sie neu sind und sie mehr in den Verband einzubinden, wie Rachid es beschreibt. Und vor allem müssen BIPoC mehr aktiv dazu motiviert werden für Funktionen zu kandidieren. Sie seien ja bereits im Verband aktiv, man nehme sie nur nicht wahr, wie Sarah betont. Sinem bekräftigt, dass so auch eine Repräsentierung ermöglicht wird, die nach außen strahlt und interessierte Menschen motiviert, selbst aktiv zu werden. Sie ist selbst bereits zehn Jahre im Verband und merkt, dass durch diese Sichtbarkeit auch mehr BIPoC angeregt wurden, Mitglieder zu werden und sich bereits ein Stück weit etwas gewandelt hat.

Doch insgesamt braucht es vor allem eins, wie Sinem sagt: „Ich appelliere daran, dass der Antirassismus, den wir immer vor uns hertragen, auch daran sichtbar wird, dass man die Bereitschaft zeigt, sich als Verband zu ändern.“

Ein paar Empfehlungen, wenn ihr euch noch tiefergehend mit dem Thema beschäftigen wollt:

Alice Hasters: WAS WEISSE MENSCHEN NICHT ÜBER RASSISMUS HÖREN WOLLEN ABER WISSEN SOLLTEN, 2019, erschienen bei hanserblau

Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah: Eure Heimat ist unser Albtraum, 2019, erschienen bei ullstein

Tupoka Ogette: exit RACISM. Rassismuskritsch denken lernen, 2019, erschienen bei unrast

„Diese 33 Fragen über Rassismus sollte man sich ehrlich stellen“ erschienen in Zeit Campus, https://www.zeit.de/campus/2018-05/diskriminierung-rassismus-aufmerksamkeit-alltag

Immer eine gute Adresse für tiefergehende Informationen zum Thema Rassismus und Anti-Semitismus:

Die Amadeu-Antonio-Stiftung

Die Autorin dieses Artikels ist Pauline Schur.


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