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NRW Jusos – Beitrag

25. August 2023

UNITED WE STAND!

Frederick Cordes war Vorsitzender der NRW Jusos und will nun als Generalsekretär für frischen Wind in der Sozialdemokratie sorgen. In seinem Gastbeitrag erklärt Freddy, was die SPD aus seiner Sicht einem Rechtsruck entgegenhalten muss.

Wenn wir über den Rechtsruck sprechen, haben wir den ersten Fehler eigentlich schon gemacht. Denn das, worüber wir zurzeit wieder viel diskutieren, ist kein plötzlicher Ruck, sondern eine kontinuierliche Entwicklung, die in fast allen liberalen Demokratien weltweit zu beobachten ist. Und trotzdem sollten wir uns nicht entmutigen lassen, denn unaufhaltsam ist es nicht. Man kann etwas dagegen tun! Um zu verstehen, was, lohnt sich ein Blick auf die Gründe für diese Entwicklung.

„It’s the economy, stupid“…

Auf die Frage, warum Menschen rechtsradikale Parteien unterstützen, gibt es nicht die eine Antwort. Tatsächlich haben wir es mit einer Mischung aus ökonomischen und kulturellen Gründen zu tun. Ökonomisch bildet die ungleiche Einkommens- und vor allem die noch viel ungleichere Vermögensverteilung den Nährboden, auf dem Rechte ihre Saat säen. Während die reichsten 10 Prozent der Menschen in Deutschland zwei Drittel des gesamten Vermögens besitzen, verfügen 50 Prozent der Menschen in Deutschland über nahezu kein nennenswertes Vermögen. Das Einkommen dieser Menschen geht vollständig für den alltäglich notwendigen Konsum drauf. Und selbst bei denjenigen, die sich selbst eher als Mittelschicht verstehen und nicht von Armut betroffen sind, ist in den letzten Jahren die Angst vor sozialem Abstieg und Statusverlust größer geworden. Wo früher ein kleiner, aber sicherer Wohlstand möglich war, ist das Leben zu einem Abstrampeln unter großem Stress geworden. Begleitet von dem Gefühl, dass trotz aller Anstrengungen vieles nicht mehr in der eigenen Hand liegt.

Hinzu kommt, dass das Vertrauen in den Staat gesunken ist und bei vielen der Ein-druck vorherrscht, dass grundlegende Dinge nicht mehr funktionieren. Die seit Jahren fehlenden Investitionen in die Daseinsvorsorge und die infolge der Finanzkrise zum Fetisch gewordene Schwarze Null rächen sich bitter. Sie verstärken den Eindruck, dass das Morgen schlechter wird als das Heute.

Zukunft gibt es eben nicht für lau.

Versteht mich nicht falsch: Niemand wählt die AfD, weil mal eine Bahn ausfällt. Aber der Populismus ist auf die Unzufriedenheit und auf die Zukunftsängste der Menschen angewiesen, auf die er aufbauen und die er instrumentalisieren kann. Wie tut er das?

„It’s the identity, stupid.“ Das populistische Playbook

Rechter Populismus hat ideologisch kein Interesse an einer sozialen Auseinandersetzung, die die Verteilungsfrage stellt zwischen denen, die wenig haben und denen, die viel haben. Ökonomische Verhältnisse werden verschleiert oder eben umgelenkt. Rechter Populismus stellt die soziale Frage so nicht als eine von oben und unten, sondern als eine von innen und außen. Das ist das einende Element aller rechtspopulistischen Bewegungen. Sie schüren den Hass auf diejenigen, die als fremd definiert und als Bedrohung geframt werden. Das ist sein Identitätsangebot. Es lautet: „Du bist gut so, wie Du bist. Du musst Dich nicht ändern. Aber alle da draußen wollen Dir ans Leder. Dein Lebensstil steht auf dem Spiel und wir sind deine Verteidiger.“ Statt Klassenkampf wird der Kulturkampf geschürt und jede Sachfrage zur existenziellen Auseinandersetzung über die eigene Art zu leben stilisiert, für die Rechte dann die entsprechende Entlastung bieten können. Und in einer Welt, die sich ohnehin in einem überfordernden Dauerkrisenmodus zu befinden scheint, ist das eine attraktive Botschaft, auch wenn sie kein einziges Problem wirklich löst.

Und eine so inklusive Botschaft, wie sie zunächst klingen mag, ist dieses Identitätsangebot natürlich auch nicht. Es gilt – und das auch nur scheinbar – für eine ethnisch definierte „Ingroup“ und richtet sich hasserfüllt und aggressiv gegen alle, die nicht dazugehören. Deshalb handelt es sich dabei nicht um eine beliebige Position im demokratischen Spektrum, sondern sie richtet sich gegen dieses demokratische Spektrum selbst. Hinter ihrer vermeintlich identitätsstiftenden Botschaft steckt in Wahrheit ein Angriff auf das gute Leben und auf die demokratische Gesellschaft, die danach strebt, in ihr ohne Angst verschieden sein zu können. Wie sollten wir diesem Angriff begegnen?

Brücken schlagen

Bevor ich zu den Lösungsansätzen komme, denen wir uns aus der Perspektive einer linken Volkspartei verschreiben sollten, muss leider festgehalten werden, dass auf die Konservativen im Kampf gegen Rechts kein Verlass ist. Das hat leider nicht nur die Geschichte gezeigt, sondern zuletzt auch wieder die Aussagen von Friedrich Merz. Eine Brandmauer, die da nicht steht, wo jeden Tag die Demokratie verteidigt wird und wo sie für die Bürger*innen am meisten spürbar ist – nämlich in den Kommunen – die steht auch nirgendwo anders. Das konservative Zauberland ist abgebrannt.

Aus sozialdemokratischer Perspektive kommt es darauf an, uns an das zu erinnern, was uns immer stark gemacht hat. Die Sozialdemokratie war immer dann stark, wenn sie beides geschafft hat – einerseits Visionen für ein besseres Morgen zu entwerfen und diese andererseits in konkrete Politiken zu übersetzen, die das Leben der Menschen jeden Tag verbessern. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der alle das Leben führen können, was sie führen möchten – und nicht nur eine ethnisch definierte „Ingroup“. Und wir wissen, dass wir dafür etwas an den ökonomischen Verhältnissen verändern müssen. Normalerweise muss jede Gesellschaft ihre Ungleichheiten rechtfertigen. Stattdessen hat man mittlerweile den Eindruck, dass man sich rechtfertigen muss, wenn man die gesellschaftlichen Ungleichheiten infragestellt.

Dabei ist es genau diese Naturalisierung von Ungleichheit, die die Voraussetzung dafür ist, dass rechte Populist*innen den Verteilungskampf zwischen innen und außen schüren können. Wir müssen die Verteilungsfrage stattdessen wieder als eine zwischen oben und unten stellen.
Und dabei müssen wir etwas tun, was unglaublich anstrengend ist und zugleich die Demokratie zur besten aller Staatsformen macht: Wir müssen im Konflikt der unterschiedlichen Interessen einerseits darauf achten, dass es gerecht zugeht und andererseits darauf, dass wir den Laden zusammenhalten. Wo Spaltung das Geschäft der Rechten ist, muss es uns gelingen, Brücken zu schlagen zwischen denen, die im Alten Hut in Oberhausen ihr Pilsken trinken und denen, die in Essen-Rüttenscheid ihren Hafer-Cappuccino genießen. Dabei geht es nicht darum, gesellschaftliche Konflikte zu leugnen oder zu verschleiern. Im Gegenteil: Wenn wir linke Volkspartei sein wollen, dann müssen wir diese nicht nur stellvertretend für, sondern mit den Menschen gemeinsam führen und zu echten Kompromissen kommen. Und um einen österreichischen Sozialdemokraten zu zitieren, muss dabei klar sein, dass wir keine Bittstellerinnen sind, wenn wir für ein gerechteres Gemeinwohl kämpfen. Wirkliche Lösungen für die Probleme der Menschen sind absolutes Gift für Rechtspopulist*innen, die auf den dauerhaften Konflikt, auf das Ausspielen von Gruppen angewiesen sind.

Fazit
Damit uns das gelingt, sollten wir wieder mehr Kraft darauf verwenden, dass unsere Politik im Geldbeutel und im Alltag der Menschen spürbar wird und weniger darauf, ihnen zu sagen, wie sie leben sollen. Kulturkampf – egal, von welcher Seite – führt in die Irre und treibt die gesellschaftliche Spaltung voran. Mit Respekt für ganz unterschiedliche Lebensentwürfe, mit einer klaren Vision für ein besseres Morgen und mit konkreter Politik im Heute entziehen wir den Feind*innen der Demokratie ihre Geschäftsgrundlage.


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