NRW Jusos – Magazin
Wohnraum ist keine Ware! Interview mit Zanda Martens
Zanda Martens ist Sozialdemokratin, Gewerkschafterin und seit 2021 auch Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete. Wir haben mit ihr über ihre politische Arbeit, über ihre Zeit als Gewerkschaftssekretärin und auch über ihr Thema „Miete“ gesprochen.
Was treibt dich im Bundestag aktuell besonders um?
Die aktuelle Lage im Land insgesamt: Natürlich beschäftigt uns vor allem, wie wir mit dem Rechtsruck in unserer Gesellschaft umgehen müssen. Wir sehen, dass mit jeder Wahl der Stimmenanteil für rechtsextreme Parteien steigt. Das treibt uns alle um. Ich würde mir wünschen, dass bei diesem Thema alle demokratischen Parteien auf billigen Populismus verzichten und unser Bundeskanzler Olaf Scholz proaktiver kommunizieren und unsere Politik besser erklären würde.
Als Gewerkschaftssekretärin, Arbeiterkind und Einwanderin haben dich einzigartige Erfahrungen geprägt. Wie beeinflusst das deine politische Arbeit?
Diese Erfahrungen sind auch ein Grund, warum ich in die Politik gegangen bin. Die Erfahrungen, die ich als Arbeiterkind gemacht habe, stammen von Eltern, die 40 Stunden in der Woche arbeiten und trotzdem nie genug Geld haben. Arm trotz Arbeit – diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie sehr man für alles kämpfen muss und wie wenig einem was geschenkt wird. Ich möchte anderen Kindern in unserem Land diese Erfahrung ersparen. Meine Überzeugung ist, wenn man Probleme in der Gesellschaft erkennt und sieht, dass Dinge nicht so laufen, wie man es für richtig hält, dann reicht es nicht aus, sich nur darüber aufzuregen. In einer Demokratie muss man sich selbst engagieren und im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen, dass es anders läuft.
Der DGB hat erstmals eine Frau als Bundesvorsitzende. Welche Bedeutung hat das für die Gewerkschaftsbewegung?
In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es starke Frauen, die auch Führungspositionen in Gewerkschaften bekleideten. Dennoch finde ich, dass es ein überfälliger Schritt ist, dass wir mit Yasmin Fahimi und vor kurzem auch mit Christiane Benner in der IG Metall Frauen tatsächlich an der Spitze haben. Generell bin ich der Meinung, dass Frauen und Männer jeden Job gleich gut erledigen können.
Siehst du besondere Herausforderungen oder Chancen für Frauen oder Führungspositionen in der Gewerkschaft?
In so einer Position, insbesondere in einer Industriegewerkschaft, deren Mitgliedschaft eher männlich geprägt ist, ist es besonders ungewöhnlich, dass eine Frau diese Spitzenposition übernimmt. Es mag eine Herausforderung sein, bis alle es akzeptiert haben, dass eine Frau diese Aufgaben genauso gut erfüllen kann. Aber die Frauen beweisen mit ihrer Arbeit, dass dies eindeutig der Fall ist. Ich bin froh, dass die Gewerkschaftsbewegung nicht nur in den Betrieben nach Geschlechterparität strebt und sich dafür politisch einsetzt, sondern auch selbst ein gutes Beispiel für die Unternehmen ist.
Ein kleiner Themensprung. Du warst Gewerkschaftssekretärin, jetzt bist du Bundestagsabgeordnete. Du hast lange Tage. Was motiviert dich morgens aufzustehen?
Meine Motivation hat sich nicht verändert. Genauso wie zu meiner Zeit als Gewerkschaftssekretärin stehe ich jetzt als Bundestagsabgeordnete jeden Tag auf, um die Interessen der Menschen zu vertreten. Früher waren es die Gewerkschaftsmitglieder, heute sind es für mich die sogenannten „normalen Menschen“, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Familien, Kinder und Ältere. Wenn ich die Chance habe, vier Jahre lang Lobbyistin für diejenigen zu sein, die sonst keine laute Stimme haben, dann ist das meine Motivation. Bei allen Themen, die ich bearbeiten darf, ob nun mein Einfluss groß oder klein ist, versuche ich, das Leben, die Arbeit und die Mieten genau dieser Menschen im Blick zu haben.
Du hast viele Wahlkreistermine in Düsseldorf. Welche von diesen Terminen sind für dich am wichtigsten, wenn du hier vor Ort im Wahlkreis unterwegs bist?
Für mich sind die Termine mit Menschen, die nichts mit Politik zu tun haben, am wichtigsten. Beschäftigte in Betrieben, Unternehmer, engagierte Ehrenamtliche und auch Mieterinnen und Mieter. Ich habe Respekt vor dem politischen Betrieb in Berlin, wo schließlich alle Gesetze verabschiedet werden. Dennoch ist es mir wichtig, die Bodenhaftung nicht zu verlieren, indem ich vergesse, dass die Berliner Blase nicht die Welt ist.
Du hast das Thema Mieten gerade schon angesprochen. Du bist im Rechtsausschuss und tätig in der Mietenbeobachtung. Was muss man tun, um Mieter*innen vor starken Mietsteigerungen zu schützen und wie schafft man es, dass es überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum gibt?
Ja, also zum einen Bauen. Der Wohnraum wird immer knapper, insofern ist die logische Antwort, dass man mehr baut, aber im Unterschied zu der Wohnungsbaubranche sage ich, dass das allein noch nicht reicht. Es ist kein Widerspruch, dass wir sowohl bezahlbaren Wohnraum bauen als auch die Mieten regulieren müssen. Wenn wir es dem Markt überlassen, regelt er auch die Mieten. Nur die Art und Weise, wie er sie regelt, führt doch jetzt nachweislich dazu, dass viele Menschen sich keinen Wohnraum mehr leisten können. Daher befürworte ich die Verschärfung der bestehenden Regeln wie die Mietpreisbremse und die Kappungsgrenze und will die vorhandenen Schlupflöcher schließen. Es ist mir wichtig zu betonen, dass Wohnraum keine Ware ist, sondern eine lebensnotwendige Grundvoraussetzung für jeden Menschen. Solange die Mieten nicht von alleine sinken, sollten wir die Mietpreise so regulieren, dass sich jeder Bürger und jede Familie in unserem Land eine Mietwohnung leisten kann.
Du bist auch die Vorsitzende des Unterausschusses für Europarecht. Die Europawahl steht bevor. Wie können wir einen besseren Zugang schaffen und vermitteln, was auf europäischer Ebene überhaupt durch Gesetze geregelt wird?
Aus meiner Erfahrung ist es am besten, die Bedeutung von europäischen Richtlinien und Verordnungen anhand konkreter Beispiele zu vermitteln. Oft haben die Menschen den Eindruck, dass Europa weit weg ist und irgendwelche Regeln beschließt, ohne eine Ahnung von den lokalen Geschehnissen zu haben. Die europäischen Gesetze und Verordnungen sind zwar komplexe Rechtstexte, die viele von uns ungern lesen und noch weniger verstehen. Aber sie betreffen immer ganz konkret den Alltag der Menschen. Wir müssen ihnen das immer wieder anhand konkreter Beispiele erklären und deutlich machen, dass es nicht egal ist, wen wir ins Europaparlament wählen.
Über die beiden Gesprächspartner*innen:
Für Zanda (39) ist klar: Der Markt regelt gar nichts alleine! Deswegen zeigt sie klare Kante in der Wohnungsmarktpolitik.
Lea (23) ist fasziniert, dass Zanda neben ihrem Bundestagsmandat auch noch Zeit für Sport findet. Kriegt sie noch nicht mal neben dem LaVo hin.