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NRW Jusos – Blog

06. September 2022

Warum das dritte Entlastungspaket noch nicht genug ist!

Die neu gewählte Landesvorsitzende der NRW Jusos Nina Gaedike blickt auf das neue, dritte Entlastungpaket und stellt heraus: viel gutes ist drin, aber wir Jusos müssen zwingend noch für mehr Entlastungen streiten! Im Blogbeitrag könnt ihr lesen, wo wir noch Luft nach oben sehen:

Es ist soweit, die Bundesregierung hat das dritte Entlastungspaket beschlossen. Seit der Veröffentlichung gehen die Meinungen auseinander, ob das Paket nun eine sozialdemokratische Handschrift trägt oder nicht.

Der erste Blick: einige bisherige Juso-Kritikpunkte wurden gehört und berücksichtigt!

So sollen etwa die Einmalzahlungen endlich an alle immatrikulierten Studierenden sowie auch alle Fachschüler*innen gehen. Auf immerhin 200 Euro können sich nun also besonders viele junge Menschen freuen, die bei den bisherigen Entlastungspaketen vergessen worden waren.

Ebenfalls aufgenommen wurde eine Kritik, die viele von uns besonders im Landtagswahlkampf immer wieder gehört haben: auch Rentner*innen sollen nun Einmalzahlungen erhalten, ganze 300 Euro sind für sie drin. Na klar, die grundsätzliche Kritik, dass Einmalzahlungen nur unzureichend über den Krisenwinter hinweg tragen und besonders für Armutsbetroffene ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, bleibt. Aber immerhin: das dritte Entlastungspaket ist den ersten beiden Paketen dahingehend einen Schritt voraus, indem die Gruppen der Studierenden und Rentner*innen ohne Ausnahmen unterstützt werden.

Schließlich soll die Sorge um die hohen Strom- und Gaspreise zumindest auch ein bisschen gedämpft werden, denn das Paket sieht eine Umsatzsteuersenkung beim Gas auf 7% (statt wie bisher 19%) vor. Außerdem ist eine Strompreisbremse auf Grundlage eines Basisbedarfs vorgesehen. Auch beim Wohngeld macht die Ampelkoalition einen Vorstoß: Der Kreis möglicher Bezieher*innen dieser Unterstützung soll auf zwei Millionen Bürger*innen erweitert werden und ein zweiter Heizkostenzuschuss für diese Gruppe ist beschlossen.

Soweit so gut, aber kann das angesichts drohender sozialer Härten schon alles sein?

Denn nicht nur die Strom- und Gaspreise und damit die Nebenkosten gehen bereits jetzt in die Höhe. Die generellen Lebenshaltungskosten steigen schon alleine auf Grund der Inflation derart in die Höhe, dass die Aussicht auf Verelendung besonders für jene, die bereits arm sind, eine Angst ist, die niemand einfach wegwischen kann. Ganz im Gegenteil: Bereits jetzt erleben die „Querdenker*innen“ wieder Zulauf, weil sie sich dieser Ängste bedienen, um ihre prorussische Ideologie zu verbreiten und Rechten eine Plattform zu bieten.

Auch wenn Initiativen wie „genug ist genug“ versuchen, die Diskussion aus linker Seite zu bespielen, sollte uns allen klar sein, dass es bei Entlastungen und Kriseninterventionen in diesem Winter neben dem Erhalt würdevoller Lebensbedingungen für alle Menschen in diesem Land auch um den antifaschistischen Kampf geht. Wir dürfen nicht zulassen, dass hohe Lebenshaltungskosten rechten Kräften Aufschwung geben und diese ihren Menschenhass breit in unsere Gesellschaft tragen können. Auch deshalb ist es dringend notwendig, dass wir nicht in vorschnelle Euphorie verfallen angesichts einiger guter Punkte im Entlastungspaket.

Denn da ist noch viel Luft nach oben!

Etwa beim Thema Übergewinnsteuer zeigt sich deutlich die liberale Zurückhaltung. So wird zunächst auf die europäische Ebene verwiesen. Auch eine Bezifferung, wie viel der „Zufallsgewinne“ abgeschöpft werden sollen, fehlt komplett. Letzten Endes konnte sich die Bundesregierung nur dazu durchringen, diese Abschöpfung tatsächlich nur dann selbst in die Wege zu leiten, wenn auf europäischer Ebene kein Weiterkommen zu erwarten ist. Wie lange auf die Hoffnung einer europäischen Lösung gesetzt werden soll, bevor die Bundesregierung handelt, bleibt offen. Natürlich: Eine europäische Lösung ist aus jungsozialistischer und damit internationalistischer Sicht unumgänglich. Jedoch sollten wir zumindest misstrauisch bleiben, ob es wirklich notwendig ist so lange zu warten, bevor bereits Fakten auf nationaler Ebene geschaffen werden. Andere Länder innerhalb der EU wie Italien und Griechenland haben schließlich gezeigt, dass auch das möglich ist.

Auch dass die Umsatzsteuer nur bei Gas und in der Gastronomie zeitweilig auf 7% gesenkt wird, kann nur ein Anfang sein. Denn die Last durch die Umsatzsteuer trifft Geringverdienende sowie in Armut lebende Menschen überproportional. Sie geben ihr Geld (fast) ausschließlich für Lebenshaltungskosten aus und können insofern auch nicht noch weiter sparen. Schon alleine deshalb sollten sich Bundesminister*innen und Spitzenpolitiker*innen Tipps sparen, die etwa zum kürzeren Duschen anregen. Solcherlei Kommentare, wie übrigens auch die Bemerkung im Papier zum Entlastungspaket, dass beim Strompreis weiterhin ein „Anreiz zum Energiesparen erhalten“ bleibe, sind schlichtweg armutsverachtend. Niemals sollten wir als sozialistischer Verband ein solches Narrativ annehmen und folglich müssen wir die Bundesregierung und damit auch unsere eigene Partei kritisieren, wo diese eine solche Setzung vornehmen.

Unsere Kritik muss laut hörbar sein!

Kritik etwa beim Thema Bürger*innengeld, das mit dem Entlastungspaket bereits vor dessen Einführung eine Erhöhung auf nun 500 Euro erfährt. Auch in dieser Fassung bleibt das Bürger*innen-Geld ein Hartz-IV-System, nur eben mit einem neuen Namen. 500 Euro im Monat sind noch immer kein ausreichender Betrag, um in Würde leben zu können. An den Sanktionen für Bezieher*innen wird sich auch durch die Neuerungen des Pakets erst einmal nichts ändern. Auch weiterhin gilt also, dass besonders die Sozialdemokratie hier ihrer historischen Verantwortung durch die Einführung des Hartz-IV-Systems endlich gerecht werden muss. Wir sollten es auch Hubertus nicht immer so einfach machen, all seine Maßnahmen kritiklos zu feiern!

Doch damit nicht genug: Einige im Entlastungspaket aufgeführten Forderungen scheinen nur auf den ersten Blick sinnvoll, besonders für jene Menschen mit nur kleinem Geldbeutel. So etwa die Erhöhung des Kindergeldes um 18 Euro pro Monat. Denn das Kindergeld wird in der Regel (außer für Kinder mit Behinderung) auf Sozialleistungen angerechnet. Diese Erhöhung kommt also nur jenen zu Gute, die keine Sozialleistungen erhalten. Die Menschen, die es also am dringendsten benötigen, gehen hier vermutlich leer aus. Das ist nicht nur höchst unsozial sondern entspricht abermals nicht unserem sozialistischen Anspruch, besonders Armut zu bekämpfen und zu verhindern.

Auch aus dieser Intention heraus, können wir über die Anschlussperspektive für das 9 Euro-Ticket, die das Paket vorsieht, nur müde lachen. Hier wird die Verantwortung teilweise auf die Länder abgewälzt, was uns besorgen muss. In Niedersachsen etwa hat der CDU-Finanzminister schon angekündigt, keine Finanzierung eines Anschlussgebots bewilligen zu wollen. Auch die im Papier vorgeschlagene Preisspanne von 49 bis 69 Euro im Monat ist schlichtweg zu viel. Selbst wenn wir nicht für das Fortbestehen des 9 Euro-Tickets plädieren würden, was ich immer noch für den besten Weg halte, so bleibt das der jetzige Vorschlag hinter älteren Forderungen wie etwa einem 365-Euro-Ticket preislich zurück. Der Erfolg des 9-Euro-Tickets gibt unserer Forderung nach einem langfristig ticket- und kostenlosen ÖPNV recht. Mobilität bedeutet Teilhabe: der Weg zum Arzt oder zum Supermarkt sind kein „Nice-to-have“.

Wo ist die Gaspreisbremse?

Auch die Gaspreisbremse fehlt im dritten Entlastungspaket. Hierfür soll zunächst eine Expert*innenkommission eingesetzt werden – die Hoffnung ist also zumindest noch nicht ganz verloren! Wir bleiben bei dieser Forderung nach einer Gaspreisbremse und lehnen eine Gasumlage ab. Außerdem verpasst das Paket die zwingend notwendige Abkehr von der Schuldenbremse. Auch deshalb müssen wir zu dem Schluss kommen, dass das dritte Entlastungspaket zwar einige Löcher stopft, aber niemals unseren Vorstellungen und Forderungen in Gänze entspricht.

Wir sagen: Es ist Zeit für Sozialismus! Die Kollektivierung von Gewinnen, die Vergesellschaftung von Unternehmen (statt nur ihrer Verluste) wie auch eine gut finanzierte Daseinsvorsorge müssen die Grundprinzipien der aktuellen Diskussion sein. Auf dem Weg zum demokratischen Sozialismus sollten wir deshalb aus dem Entlastungspaket mitnehmen was geht, aber weiter laut bleiben für:

  • Die Fortsetzung des 9 Euro-Tickets, damit Mobilität für alle bezahlbar ist.
  • Die Einführung eines Gaspreisdeckels, damit niemand Sorge haben muss, im Winter frieren zu müssen.
  • Umverteilung statt kleine Einmalzahlungen: Die aktuelle Krise zeigt erneut unsere Forderungen etwa nach Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer, sind die richtigen!
  • Ein Bürger*innengeld, das seinen Namen verdient und ohne Sanktionen Menschen aus der Armut holt.
  • Eine Absenkung der Steuerlast für Armutsbetroffene und Geringverdiener*innen: Effektiv geht das etwa durch eine Absenkung der Umsatzsteuer auf alle Lebensmittel.
  • Die Abkehr von der ungerechten Gasumlage; her mit der Übergewinnsteuer für die Kriegs- und Krisenprofiteur*innen und einer Gaspreisbremse.
  • Das Ende der Schuldenbremse – in der Krise brauchen wir umfassende Investitionen!

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