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NRW Jusos – Beitrag

01. April 2020

Laschet-Notstandsgesetz: Ein Schlag ins Gesicht für alle Pflegekräfte

Im Düsseldorfer Landtag hat die CDU/FDP-Regierung heute im Parlament ihre Pläne für das sogenannte Notstandsgesetz in der gegenwärtigen Corona-Lage vorgestellt. Ursprünglich sollte das 47-seitige Gesetz bereits heute von der Landesregierung im Hauruckverfahren durch den Landtag gepeitscht und beschlossen werden.

Die gute Nachricht direkt vorweg: Nachdem vor allem die SPD-Fraktion große Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität des Gesetzes geäußert hat, hat die Landesregierung dem Druck der Opposition nachgegeben und ein längeres parlamentarisches Beratungsverfahren eingeräumt.

Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken ist der Gesetzes-Entwurf in seiner ursprünglichen Fassung abzulehnen. Unsere ausführliche Positionierung zum Gesetzes-Entwurf findet ihr hier.

Besonders umstritten an dem Entwurf ist der §15 „Verpflichtung zum Einsatz medizinischen und pflegerischen Personals“. Zusammengefasst wäre es mit Inkrafttreten dieses Paragraphen der Landesregierung bei Zustimmung der schwarz-gelben Koalition möglich, gelernte Ärzt*innen, Rettungs- oder Pflegekräfte zum Zwangsdienst zu verpflichten. Der Gesetzes-Entwurf der Landesregierung lässt tief blicken: Anstatt über Anreize mit den Beschäftigten zu reden und dadurch dazu beizutragen, dass medizinische Berufe ihre berechtigte Anerkennung (nicht nur) in Corona-Zeiten erhalten und ausreichend Personal zur Verfügung steht, möchten Laschet & Co. im Notfall lieber mit Zwangsmaßnahmen arbeiten.

Wir haben unsere drei Juso-Expertinnen, die Wissen und Erfahrung aus unterschiedlichen Pflege-Sektoren haben, gefragt, was sie von dem Gesetzes-Entwurf halten: 

Wie stehst du persönlich zu dem geplanten Notstandsgesetz?

Leo: „Ich empfinde den Paragraphen „Verpflichtung zum Einsatz medizinischen und pflegerischen Personals“ als einen absoluten Schlag ins Gesicht für alle Pflegekräfte. Überall hört man plötzlich Systemrelevanz, HeldInnen unserer Gesellschaft, dass wir mehr Anerkennung verdient hätten und dann schränkt man unsere Grundrechte ein? Danke für nichts, CDU/FDP.“

Astrid: „Verrückt! Ich bin absolut dagegen, solch gravierende Maßnahmen in einem Eilverfahren zu beschließen: Es geht hier um extreme Eingriffe in die Grundrechte der mehrerer tausend denkfähigen Menschen. Die Gewaltenteilung ist ein Organ unseres Staates, der schützen soll, vor ungleichen Machverhältnissen, denen hierdurch der Weg geebnet werden würde. Zwangsarbeit lässt mich ganz stark an Zeiten der deutschen Geschichte denken, die ich in der Vergangenheit zu wissen hoffte! In Deutschland haben wir fähiges und sehr motiviertes Personal im Gesundheitssektor, das durchaus im Stande ist, sich zu organisieren. Wird die Arbeit im Gesundheitssektor attraktiver gestaltet, können Personen, die aktuell aus Selbstschutz in Teilzeit arbeiten, beispielsweise wieder Vollzeit arbeiten, ohne ein Burn Out fürchten zu müssen.“

Karina: Statt die Freiwilligkeit zu nutzen und Grundrechte zu bewahren, hat sich Laschet überlegt, dass es viel einfacher ist, unsere Grundrechte einzuschränken und eine Zwangsverpflichtung durchzuziehen. Alleine das sagt viel über das Bild von der Landesregierung zu den Pflegeberufen aus.“

Was bedeutet der Gesetzes-Entwurf für dich und deine Kolleg*innen?

Astrid: „Für mich und meine Kolleg*innen im Sozialsektor ändert sich vorerst nichts, da wir im neuen Gesetzesentwurf nicht berücksichtigt werden. Insgesamt bekommen wir sehr wenige Informationen, ob und welche Änderungen uns betreffen.“

Karina: „Menschen, die nicht im Krankenhaus arbeiten, haben diese Entscheidung meist sehr bewusst getroffen. Denn die Arbeit ist körperlich und psychisch unfassbar anstrengend. Viele meiner Kolleg*innen vergleichen diese Zwangsverpflichtung mit dem Wehrdienst. Treffender kann diese Beschreibung nicht sein und genau so sollte es sich nicht anfühlen.“

Leo: „Keine freie Berufswahl; über uns wird erneut von oben herab entschieden; nichts der letzten Jahre wurde verstanden; Patient*innengefährdung; die Attraktivität des Berufs sinkt ins unermessliche – wie soll man jetzt noch junge Menschen motivieren diesen Beruf zu erlernen?“

Was wäre aus deiner Sicht eine wirklich hilfreiche Maßnahme gewesen?

Karina: „Viele Angehörige der Fachberufe sagen, dass sie aushelfen möchten. Doch es gibt keine Stelle, die das koordiniert. Wer sollte das denn auch übernehmen? Eine Kammer gibt es ja immer noch nicht. Für die Freiwilligen sollte schnellstmöglich eine Koordinierungsstelle geschaffen werden.“

Leo: „Nicht ohne uns über uns entscheiden. Ich kann mir vorstellen, dass sehr viele Pflegekräfte ganz genau wissen was es bedarf, um Ehemalige zu rekrutieren. Und das sind niemals Zwangsmaßnahmen. Kleiner Teaser an die Landesregierung: Anreizsysteme wirken besser als Sanktionen.“

Astrid: „Ich denke, dass der unglaublich hohe Wert der Arbeit im Gesundheits- und Sozialsektor aktuell vielen Leute präsent ist, jedoch ist der Gesetzesvorschlag von Laschet genau für die Kolleg*innen ein Schlag in die Fresse. Unzählige Fachkräfte arbeiten aktuell auf höchster Leistungsstufe, und nun bekommen sie die Quittung, dass das Alles nicht reicht. Jemanden zu Zwangsarbeit zu verpflichten ist für mich das Gegenteil von Wertschätzung der Arbeit. Es fehlt der Respekt vor den Arbeitenden und ihrer eigenen Arbeitsmoral. Die Kolleg*innen in diesen Sektoren sind bereits die Held*innen der Stunde! Würde die CDU diese Arbeit angemessen entlohnen, faire Arbeitszeitmodelle umsetzbar machen lassen und notwendige Zulagen auszahlen lassen, würden viel mehr Menschen freiwillig & hoch motiviert im Gesundheitssektor arbeiten- so ganz ohne Zwang!“

Zu unseren Pflegeexpertinnen:

Astrid Stieren (27) ist Mitglied im Landesvorstand der NRW Jusos und studierte Sozialarbeiterin. Sie arbeitet in einer Mülheimer Intensivwohngruppe für Jugendliche.

Karina Kloos (24) ist Ergotherapeutin und aktiv bei den Jusos Mönchengladbach.

Leonie Jabs (28) ist gelernte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, studiert derzeit den Masterstudiengang „berufspädagogik Pflege“ und arbeitet an einem Projekt zur Versorgungsforschung im Gesundheitsbereich

Die Autorin dieses Artikel ist Pauline Schur.


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