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NRW Jusos – Beitrag

25. August 2023

All Eyes On Asylrechtsverschärfungen

Eure Verschärfungen töten!

Warum wir einen Kurswechsel statt der geplanten „Reform“ des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) brauchen!

Die vergangenen Wochen und Monate waren davon geprägt, dass sowohl auf europäischer Ebene als auch auf nationaler Ebene über unwürdige Asylrechtsverschärfungen diskutiert wurde. Anhaltspunkt dafür war vor allem die Reformierung des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS), welche deutliche Verschärfungen mit sich bringt und letztendlich in den letzten Wochen finalisiert und beschlossen wurde. Die Verschärfungen bedeuten vor allem auch, dass nun einmal mehr das Recht auf Asyl ausgehöhlt wurde. Die Zustimmung der Bundesregierung zu den Verschärfungen ist ein fatales Zeichen für die Rechte Schutzsuchender und macht deutlich, dass wir uns dem Kampf gegen diesen Rückschritt und gegen die Einschränkung des individuellen Rechts auf Asyl widmen müssen.

Debatten mit falschen Fakten – dem Populismus entgegen

Auffallend war in allen Debatten rund um die geplanten Verschärfungen der populistische Tenor, der in faktenlosen Debatten mündete und sich rechtspopulistischen Narrativen annäherte. Immer wieder wurden die Verschärfungen in Zusammenhang mit steigenden Asylanträgen und der daraus resultierenden Belastung in den Kommunen gesetzt – ein Blick in die Realität und Statistiken reicht, um dieser inzwischen verfestigten Argumentationslinie entgegenzuwirken. Durchaus stiegen die Zahlen Schutzsuchender in den letzten Jahren und Monaten. Der Anstieg verdeutlicht das Leid, das individuelle und strukturelle Fluchtursachen und globale Krisen verursachen. Im Kontext steigender Asylantragszahlen wird vor allem von Rechtskonservativen – wie zuletzt dem CDU-Politiker Thorsten Frei – immer wieder eine Obergrenze gefordert, die vor allem eben auch mit dem Individualrecht auf Asyl kollidiert und demnach ein verfassungsrechtlicher Skandal ist.

Aber nun zurück zu den Fakten, die vor allem im Kontext der zuletzt von der CDU gestellten Forderung einer Obergrenze von 200.000 Anträgen pro Jahr, interessant wirken. Denn auch mit dem jährlichen Anstieg Asylsuchender liegt die Zahl der Asylanträge für das Jahr 2022 mit 193.000 deutlich unter der geforderten Obergrenze (BAMF 2022). Weitergehend muss man sich der Frage stellen, inwieweit Schutzsuchenden bei Antragstellung auch tatsächlich Schutz gewährt wird. Die Antwort ist ernüchternd, denn auch wenn die Anerkennungsquote im Vergleich zu den letzten Jahren gestiegen ist, lohnt sich ein dezidierter Blick auf unterschiedliche Herkunftsländer. Dies lässt sich zum Beispiel im Kontext der stetig wachsenden Gefahr und menschenrechtsverachtenden Lage im Iran und der daraus resultierenden Fluchtbewegung veranschaulichen. So erteilte das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) Schutzsuchenden aus dem Iran trotz der gefährlichen Lage immer wieder Ablehnungen. Allein im Zeitraum von Januar bis August 2022 wurden 55% der Anträge iranischer Schutzsuchender abgelehnt.

Aber nun zurück zu der Situation in den Kommunen, die durchaus prekär ist, aber nicht durch eine menschenverachtende Reform – wie wir sie in den Reformpunkten des GEAS sehen – gelöst werden kann. Zum einen würden die repressiven Reformpunkte erst nach einigen Jahren „wirken“ und wären somit in diesem Sinne keine Entlastung für Kommunen. Zum anderen ist das Vorziehen dieser Argumentationsweise eine reine Verlagerung realer Probleme, die sich bereits seit Jahren in den Kommunen auffinden lassen. Denn zur Wahrheit gehört eben auch, dass die Kapazitäten- und Ressourcenknappheit im Kontext der Aufnahme von Schutzsuchenden in den Kommunen eben auch einer fehlenden Mitwirkung von Bund und Ländern geschuldet ist. Kommunen benötigen also echte Hilfen statt inhumaner Rechtseinschränkungen, die dem Vorwand der Entlastung dienen sollen.

Das Sterben und Leiden vor den Grenzen nimmt zu – ein Kurswechsel ist bitter nötig

Als am 8. September 2020 das Flüchtlingslager Moria brannte, hieß es auch von der deutschen Bundesregierung: keine Lager mehr! Und doch werden sie seitdem weiter gebaut und tausende Geflüchtete unter menschenunwürdigen Bedingungen dort interniert. Jetzt, drei Jahre später, soll durch die GEAS-Reform das Elend an den EU-Außengrenzen sogar noch verschlimmert werden, indem mehr Menschen an den EU-Außengrenzen für Grenzverfahren in Lagern interniert werden sollen.

Allein dieses Jahr starben über 1.800 Menschen bei ihrer Flucht auf dem Mittelmeer. Allein am 14. Juni ertranken über 600 Menschen. Sowohl die europäische Grenzschutzagentur Frontex als auch die griechische Küstenwache wussten Stunden zuvor von dem zu kentern drohenden Fischkutter, ohne zu helfen. Schlimmer noch: Augenzeugen berichten sogar von Pushbacks der griechischen Küstenwache, wodurch der Kutter zum Kentern gebracht worden sein soll. Immerhin ist die umstrittene Krisenverordnung innerhalb der EU-Asylrechtsverordnung am 26. Juli vorerst gescheitert. Einige EU-Mitgliedsstaaten, auch die Bundesregierung, wollten die Herabsenkung der Standards für Geflüchtete nicht mittragen. Die Festung Europa kostet tausenden Geflüchteten das Leben. Es braucht ein Ende der rassistischen europäischen Abschottungspolitik. Die finale Zustimmung zum Gesamtpaket der europäischen Asylrechtsreform steht noch aus, aber wie die Reform jetzt geplant ist, darf sie nicht beschlossen werden.

Es darf keine Lager, keine verpflichtende Grenzverfahren und keine Pushbacks an den EU-Außengrenzen geben. Stattdessen brauchen wir legale und sichere Fluchtwege, eine staatliche Seenotrettung und eine solidarische Verteilung von Geflüchteten in den EU-Mitgliedstaaten. Solange das mit den rechten Regierungen in der europäischen Union nicht möglich ist, muss stetig an einer Koalition der Aufnahmewilligen gearbeitet werden. Klar ist: Lieber keine Reform statt eine, die massive Menschenrechtsverletzungen durch Gesetze legalisiert.

Menschen, die aufgrund von Verfolgung, Krieg, Hunger, kolonialistischer Ausbeutung oder den Folgen der Klimakrise fliehen, müssen hier sicher ankommen und menschenwürdig untergebracht werden. Für ein solidarisches Europa, für das wir uns nicht länger schämen müssen.


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