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NRW Jusos – Beitrag

25. Februar 2021

Law and Order immer noch in den Trends – Ein Versammlungsgesetz, das keine Luft zum Atmen lässt

Die Landesregierung hat kürzlich einen 100-seitigen Gesetzesentwurf (Versammlungsgesetz Einführungsgesetz NRW (VersGEinfG NRW)) vorgelegt, um im Zuge der Föderalismusreform eine Grundlage für die Regelung von Versammlungen in Nordrhein-Westfalen zu schaffen. Der Entwurf soll dem Motto gerecht werden, das Gesetz an die Herausforderungen und Probleme der Zeit anzupassen – genau wie damals bei der Einführung des Polizeigesetzes. Diese „Erfolgsgeschichte“ soll sich nun wiederholen und mit dem Entwurf soll die Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt werden. Es lässt sich daher die Frage stellen: Wovor hat die Landesregierung eigentlich Angst und an wen richtet sich der Gesetzesentwurf am Ende tatsächlich?

Niemand: … Wirklich niemand: … CDU NRW: Vorverlegung von Strafbarkeit ist immer eine gute Idee

In dem Entwurf ist ein weitreichendes Störungsverbot vorgesehen. Das birgt nicht nur eine große Unsicherheit für Teilnehmer*innen, die sich an Gegendemonstrationen zu rechten Aufmärschen beteiligen, sondern gibt der Polizei weiterführende Befugnisse in der Feststellung, welches Verhalten nun eine Versammlung stört oder nicht.

Der Entwurf sieht aber weiterhin, und noch viel absurder, das Verbot von Vorbereitungshandlungen vor, die möglicherweise in eine Störung münden könnten (oder auch nicht). Und da macht die Landesregierung nicht einmal einen Hehl daraus, wen sie genau dabei im Blick hat. Laut dem Gesetzesentwurf zielt sie explizit auf Blockadetrainings. Obwohl die Landesregierung richtigerweise erkennt, dass es durchaus ein juristischer Streit ist, ob Blockadetrainings rechtswidrig sind, wollen sie solche per se unter ein Verbot stellen. Und das entgegen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Münster, welches in Blockadetrainings, wie auch in friedlichen Blockaden keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sieht. Wer also eine friedliche Versammlung durchführt, im Rahmen dessen eine friedliche Blockade durchgeführt wird, genießt zwar eigentlich den Schutz der Versammlungsfreiheit , aber die Landesregierung nimmt Freiheitsrechte mal wieder nicht so ernst. Das im Lichte der Tatsache, dass sogar eine strafrechtliche Sanktionierung möglich ist, zeigt, wie gefährlich der Vorschlag ist.

Offenlegung von persönlichen Daten ist ein Angriff auf linke Strukturen!

Ebenfalls ist laut Entwurf vorgesehen, dass bei der Annahme einer Gefahr Namen und Adressen der vorgesehenen Ordner*innen offenzulegen sind. Wieso das problematisch ist, ist auf dem ersten Blick nicht erkennbar. Jedoch muss beachtet werden, dass von jeder Versammlung eine gewisse Gefahr ausgeht und somit die Offenlegung Standard werden könnte.

Das ist nicht einmal die Spitze des Eisbergs: Auch ist nach § 4 VersGEinfG NRW vorgesehen, dass der Name des Veranstalters oder der Veranstalterin bei den Einladungen zur Versammlung anzugeben sind. Das hat besonders Konsequenzen für linke Strukturen und für die Zivilgesellschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, unsere Gesellschaft vor den rechten Umtrieben und Aufmärschen zu schützen. Sie müssen damit rechnen, dass gewaltbereite Rechte keinen Finger krumm machen müssen und durch die Versammlung selbst an ihre Namen kommen.

Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt – Kooperationsgebot neu definiert

Im Gesetzesentwurf wird im Rahmen des Kooperationsgebotes nur der Anmelderin oder dem Anmelder Pflichten auferlegt, während der Polizei gleichzeitig diverse Befugnisse eingeräumt werden. Das wird damit begründet, dass laut dem Brokdorf-Beschluss das Bundesverfassungsgericht das Kooperationsgebot herausgearbeitet hat. Dabei formt sich die Landesregierung den Beschluss, wie sie es will, denn eigentlich geht es in dem Beschluss an erster Stelle darum, dass die Versammlungsbehörde selbst sich um Kooperation bemühen muss. Die Landesregierung aber sieht anscheinend in den Anmelder*innen problematische, nicht kooperationsbereite Menschen und verteufelt diese, ohne zu erkennen, dass die eigentliche Pflicht die Versammlungsbehörde trägt. Gleichzeitig wird missachtet, dass in dem bestehendem Machtgefälle zwischen Bürger*in und Versammlungsbehörde diese Umstände eine Anmeldung erschweren und es ist damit zu rechnen, dass viele Bürger*innen ihre Versammlungsfreiheit aus Angst vor behördlichem Handeln nicht ausleben werden. Diese Dämonisierung der Veranstalter*innen und der Versammlungen ist der Geist des Gesetzesentwurfes und verdeutlicht, wie wenig die CDU und FDP eigentlich die Versammlungsfreiheit schützen.

Klar sprechen und trotzdem in Unbestimmtheit lassen ist das neue Motto

„Wir brauchen gut und verständlich formulierte Regeln, die wenig Interpretationsspielraum lassen. So, dass jeder versteht: Das geht und das geht nicht“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul. Und dann stehen im Gesetzesentwurf letztendlich sehr viele unbestimmte Rechtsbegriffe. Gesetzliche Grundlagen, die Befugnisse legitimieren, müssen aber klar und verständlich sein. Ein Beispiel, wo die Landesregierung diese eine Aufgabe nicht hinbekommen hat, ist die Regelung rund um das Militanzverbot. Demnach ist es verboten, an Versammlungen teilzunehmen, wenn das äußere Erscheinungsbild durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken, durch ein paramilitärisches Auftreten oder in vergleichbarer Weise Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt. Ein Verstoß gegen das Verbot wird ebenfalls mit Strafe geahndet. Was nun ein Auftreten in vergleichbarer Weise ist und was nun einschüchternd wirkt, ist schwer zu bestimmen und wird gänzlich der Polizei überlassen. Ob nun die roten Gewerkschaftswesten der DGB Gewerkschaften darunter fallen, oder die weißen Overalls von Ende Gelände, ist schwer zu bestimmen. Wenn das Gesetz in der Fassung bestandskräftig wird, wird genau dieses Problem Willkür-ähnlichem Verhalten unterliegen.

Big Brother is watching you!

Nach § 16 VersGEinfG NRW ist ebenfalls eine allumfassende Übersichtsaufnahme für die Leitung des Polizeieinsatzes erlaubt, wenn es im Einzelfall aufgrund der Unübersichtlichkeit der Versammlung erforderlich ist. Wie Rechtsanwalt und Experte für Versammlungsrecht Jaspar Prigge feststellt, wird dies höchstwahrscheinlich bei einer Versammlung von 100 Teilnehmer*innen der Fall sein, da die Polizei in Dortmund schon in früheren Verfahren dementsprechend argumentierte. Dies schnürt das Korsett enger um die Versammlungsfreiheit, denn eigentlich hat jede*r Bürger*in das Recht, anonym an einer Versammlung teilzunehmen, ohne dass sie aufgenommen wird. Es ist damit zu rechnen, dass Interessierte ihre Versammlungsfreiheit daher nicht ausüben werden, weil sie eben mit Aufnahmen von ihnen rechnen müssen.

Der Gesetzesentwurf zeigt, dass die Versammlungsfreiheit für CDU und FDP irrelevant ist. Stattdessen unternehmen die Parteien den Versuch, diese einzuschränken. Ganz deutlich wird dies, wenn man sich genau anguckt, welches Bild von Versammlungsteilnehmer*innen gezeichnet wird. Unter dem Deckmantel, rechtspopulistische und rechtsextreme Versammlungen unterbinden und schwächen zu wollen, wird klar deutlich, in welche Richtung der Entwurf wirklich ausschlagen wird.

Besonders der linken und klimaaktivistischen Zivilgesellschaft wird es erschwert, unbeschwert Versammlungen anzumelden, zu organisieren und durchzuführen. Wo eigentlich die Versammlungsbehörde ihren Pflichten gerecht werden muss, schiebt sie die Verantwortung an die Anmelder*innen ab. Der Gesetzesentwurf birgt die Gefahr, dass die eigentlichen Kräfte, die tatsächlich dafür sorgen, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Aufmärsche verhindert werden, Ketten angelegt werden und dass Gegendemonstrationen erschwert werden und nur unter Risiken für die Beteiligten stattfinden können. Das können und werden wir nicht zulassen!

Die SPD hat bereits im November, also vor der Landesregierung, einen Entwurf für die Novellierung vorgelegt. Wir dürfen dabei nicht wieder in dieselbe Falle tappen und die schlechte Arbeit der Landesregierung mit aller Kraft zu verbessern versuchen, um dann am Ende ein noch immer mehr als fragwürdiges Gesetz zu verabschieden. Wir werden diesen Gesetzesentwurf kritisch begleiten und nicht zulassen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit derartig eingeschränkt wird. Wie auch schon zum Polizeigesetz macht sich zum Glück wieder ein starkes linkes Bündnis auf den Weg, um auch auf der Straße Druck zu machen.


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