NRW Jusos – Magazin
Rein in die Gewerkschaft und weg mit dem Patriarchat
Wenn wir von feministischer Arbeitsmarktpolitik reden, denken viele zunächst daran, dass Frauen im Schnitt deutlich weniger verdienen als Männer. Dabei handelt es sich dabei nur um einen kleinen Teil des Patriarchats in der Arbeitswelt.
Der aktuelle Gender Pay Gap in Deutschland, also die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern, liegt bei 18%. Wenn man diese Zahl erwähnt, hört man oft direkt von Menschen (meistens: Männern), dass diese Zahl viel zu hoch und ungenau sei, weil es sich hierbei nur um den sogenannten unbereinigten Gender Pay Gap handle, und der eigentliche Lohnunterschied nur bei 7% liege.
An dieser Unterscheidung ist zunächst einmal nichts falsch. Es stimmt, dass der Gender Pay Gap auf unterschiedliche Arten berechnet werden kann. Der unbereinigte Gender Pay Gap vergleicht den durchschnittlichen Bruttoverdienst von Männern und Frauen. Dabei werden auch Unterschiede miteinbezogen, die aufgrund unterschiedlicher Bezahlung von Berufsbranchen, Karrierelevel oder Arbeitszeiten entstehen. Beim bereinigten Gender Pay Gap werden diese Faktoren herausgerechnet, weshalb die Zahl am Ende deutlich niedriger ist. Und 7% klingen am Ende gar nicht mehr nach so viel.
Wenn wir über geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt reden, macht es jedoch durchaus Sinn, sich trotzdem den unbereinigten Gender Pay Gap anzuschauen. Denn all diese Faktoren sind schließlich strukturell und begründen sich auf der patriarchalen Ausbeutung von Frauen, die sich noch allzu oft dadurch äußert, dass wir in die private Sphäre verdrängt und damit von der Teilhabe am Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden.
Who cares?
Berufe, die häufiger von Frauen ausgeübt werden, werden oft viel schlechter bezahlt als männlich dominierte Berufsfelder. Dazu gehören vor allem Berufe in der Dienstleistungsbranche und im Bereich der Care-Arbeit. In diesen Berufsfeldern wird nicht nur weniger verdient, oft sind die Beschäftigten auch mit schlechteren Arbeitsbedingungen konfrontiert. Frauen arbeiten darüber hinaushäufiger in atypischer Beschäftigung, Teilzeit oder haben längere Erwerbsunterbrechungen. Und dass das so ist, ist natürlich kein Naturgesetz: Das Patriarchat weist Frauen Aufgaben des angeblich „privaten“ Bereichs zu. Und auch wenn die gesellschaftliche Erzählung vom Heimchen am Herd, das seinem Ehemann den Rücken freihält, heute sehr veraltet klingt, ist es in vielen Köpfen immer noch fest verankert.
Denn durch konservative patriarchale Rollenbilder übernehmen Frauen nicht nur den Großteil der professionalisierten, das heißt bezahlten, Care-Arbeit, sondern leisten auch im Privaten mehr unbezahlte Care-Arbeit. Kinderbetreuung, Haushalt, die Pflege von Angehörigen: Frauen wenden im Durchschnitt 52% mehr Zeit am Tag für unbezahlte Sorgearbeit auf. Das führt nicht nur zu einer erheblichen Mehrbelastung für Frauen in der Freizeit, sondern hat auch Konsequenzen für ihre Erwerbsbiografien.
Das Elend setzt sich fort – ein Leben lang
Als Jungsozialist*innen wissen wir: Der Kapitalismus schafft Armut und unterdrückt damit all jene, die nichts außer ihrer Arbeitskraft haben, um zu überleben. Dass dies Armut nach sich zieht, veranlasst uns als Verband, laut die Systemfrage zu stellen. Dies werden wir allerdings niemals vollumfänglich tun können, wenn wir uns nicht mit der Verbindung von Geschlecht und Armut auseinandersetzen. Denn Frau zu sein ist immer noch einer der größten Faktoren für Altersarmut. Grund dafür sind eben jene patriarchalen Strukturen, die Frauen aus der Erwerbsarbeit halten und ihnen strukturell den Bärenanteil der unbezahlten Care-Arbeit aufbürden. Für viele Frauen in heterosexuellen Paarbeziehungen und Familienkonstellationen ergibt sich dadurch eine extreme Abhängigkeit von Männern, die seelenruhig ihre Karriere verfolgen können, während sie Kinder und Angehörige pflegt, schlechtere Jobaussichten hat, weil noch immer viele Arbeitgeber*innen (unrechtmäßig) Frauen im sogenannten gebärfähigen Alter gute Jobs und Beförderungen verwehren oder weil sie aus Steuergründen nur einem Minijob nachgeht.
Letzteres ist Auswirkung eines Steuersystems, das die heterosexuelle Kleinfamilie bevorteilt und patriarchale Machtdynamiken manifestiert. Denn noch immer sorgt das sogenannte Ehegattensplitting dafür, dass es sich für verheiratete Paare lohnt, wenn ein*e Ehepartner* in bedeutend mehr verdient als der*die andere. Diese Steuererleichterung wird jedoch auf dem Rücken der Erwerbsverläufe von Frauen geführt: In der überwältigenden Zahl der Fälle sind sie es, die nur in Teilzeit oder in einem Minijob arbeiten. So sammeln sie weniger oder keine Rentenpunkte, zahlen nicht in die Sozialversicherung ein und können kein eigenes Vermögen aufbauen. Besonders wenn eine Ehe scheitert, zeigt sich eine weitere Armutsfalle: Frauen sind häufiger alleinerziehend als Männer, und Alleinerziehende sind überdurchschnittlich von struktureller Armut betroffen.
Wie kommen wir raus aus der Sackgasse namens Patriarchat?
Das Patriarchat steckt in jeder Facette der Arbeitswelt und beutet Frauen strukturell aus. Dabei wird viel zu oft noch die Situation von INTA-Personen (inter, nonbinär, trans, agender) außen vor gelassen. Auch sie leiden in der Arbeitswelt unter patriarchaler und queerfeindlicher Unterdrückung, die Dynamiken sind allerdings anders und noch kaum erforscht. Während wir seit Jahren für eine feministische Arbeitsmarktpolitik kämpfen, lassen Antworten von staatlicher Seite noch auf sich warten.
Für eine echte Entlastung von Frauen und eine gerechtere Aufteilung der Care-Arbeit braucht es deshalb etwa die Novellierung des Elterngeldes, bei der die Zeit zwischen beiden Partner*innen gleich aufgeteilt wird, die endgültige Abschaffung des Ehegattensplittings, eine KiTa-Pflicht und die Unterstützung gewerkschaftlicher Arbeitskämpfe. Denn klar ist: In tarifgebundenen Branchen ist der Gender Pay Gap kleiner. Studien haben außerdem gezeigt, dass vor allem Frauen von der Einführung einer 4-Tage-Woche profitieren können.
Feministischer Arbeitskampf kann also nur Seit an Seit mit den Gewerkschaften geführt werden. In diesem Sinne: Rein in die Gewerkschaft und weg mit dem Patriarchat!
Über die Autorinnen:
Pia (24) ist für eindimensionale Betrachtungen nicht zu haben, umso mehr aber für tiefgreifende feministische Analysen!
Für Nina (26) ist klar: „Frauen in die Gewerkschaft!“ nützt Frauen und der Gewerkschaft. Auch heute ist ein guter Tag, um in eine Gewerkschaft einzutreten!