NRW Jusos – Magazin
Die Zukunft der Arbeit – Die Herausforderung der Transformation
Die Arbeitswelt befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel, doch nie zuvor waren die Veränderungen so rasant wie heute. Die aktuellen Umbrüche werden von einer Vielzahl von Faktoren vorangetrieben, darunter die Digitalisierung, die Aus- und Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die Klimakrise und nun auch KI, die Einführung von Werkzeugen mit „künstlicher Intelligenz“. Inmitten dieses Wandels stehen insbesondere junge Menschen im Fokus.
Das Bild der Generation Z: Herausforderungen und Vorurteile
Die öffentliche Wahrnehmung der „Generation Z“ (geboren zwischen 1996 und 2010) ist, wie so häufig, wenn es um „die jungen Leute“ geht, geprägt von Vorurteilen und Klischees. Sowohl ältere Unternehmer*innen als auch Kolleg*innen mittleren Alters neigen dazu, den jungen Berufseinsteiger*innen vorzuwerfen, zu anspruchsvoll zu sein, weniger loyal gegenüber Arbeitgeber*innen zu agieren und scheinbar zu bequem die Arbeit zu verrichten. Auch die absurde Forderung nach einem sozialen Pflichtjahr (siehe Ausgabe 24) kommt aus einer ähnlichen Richtung.
Vorurteile sind das eine – Tatsachen etwas anderes. Wir als junge Menschen sind gewillt, hart zu arbeiten, und setzen uns aktiv für unsere berufliche Entwicklung ein. Dennoch ist die Realität, in der wir aufwachsen, geprägt von zunehmender Unsicherheit, verstärkt durch die Corona-Pandemie, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, den Klimawandel und rasant steigende Lebenshaltungskosten. Der mentale Druck und die Sorge um die Zukunft sind bei vielen enorm.
Psychischer Druck und Gesundheitsfolgen
Diverse Studien (vgl. Schnetzer, Hurrelmann: „Jugend in Deutschland“, 2023; Dr. Julian Witte, Alena Zeitler, Lena Hasemann, Jana Diekmannshemke: „DAK Kinder- und Jugendreport 2023“, 2023) belegen, dass viele junge Erwachsene in Deutschland unter psychischer Unsicherheit leiden. Die Auswirkungen dieser Belastungen sind spürbar und äußern sich etwa in Form von Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schlafproblemen, Erschöpfung oder tiefgreifenderen psychischen Erkrankungen. Viele junge Menschen sind bestrebt, einem Burnout vorzubeugen und ihre Arbeitsbelastung zu reduzieren.
Die kollektive Selbstbestimmung und neue Arbeitsplatzgestaltung
Als erste Generation sind wir dazu in der Lage, kollektiv und selbstbewusst unsere eigenen Grenzen gegenüber den Arbeitgeber* innen zu setzen. Dies zeigt sich in Abgrenzung zu Millennials und der sogenannten “Generation Y” insbesondere daran, dass wir anstelle großer Loyalität gegenüber Arbeitgeber*innen vor allem eine sinnstiftende Tätigkeit anstreben (vgl. Jobvalley und Department of Labour Economics der Maastricht University „Fachkraft 2030“, 2021). Dieser Trend zu mehr Selbstbestimmung und zur Mitgestaltung des Arbeitsplatzes kann für Unternehmen herausfordernd sein, da sie sich einer neuen Ausgangssituation gegenübersehen. Dennoch ist der Trend mehr als nachvollziehbar und könnte ein entscheidender Schritt hin zu einem gerechteren Verständnis von Arbeit sein.
Die Transformation des Arbeitsmarktes ist kein Generationenkonflikt
Anders, als vor allem von Konservativen behauptet, sind es nicht #DieseJungenLeute, die das Problem des Arbeitsmarktes darstellen. Es sind die Gesamtbedingungen des kapitalistischen Arbeitsmarktes, bei dem jahrzehntelang auf dem Rücken der Arbeitnehmer*innen zugunsten Weniger Profit erwirtschaftet wurde. Unsere Generation spürt die Auswirkungen besonders deutlich. Daher können besonders wir Veränderungen anstoßen.
Dafür müssen wir bei der Transformation des Arbeitsmarktes verschiedene Teilaspekte berücksichtigen. Die Digitalisierung, oft als „Industrialisierung 4.0“ bezeichnet, hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Sie automatisiert Arbeitsprozesse und schafft gleichzeitig neue Berufsfelder. Dieser Wandel bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Auf der einen Seite eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen und Innovation. Auf der anderen Seite erfordert sie – neben der weiteren Verdichtung der Arbeit – von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen eine kontinuierliche Weiterbildung und Anpassungsfähigkeit, um in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt erfolgreich zu sein.
Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben ebenfalls erhebliche Veränderungen in der Arbeitswelt ausgelöst. Das Homeoffice und die virtuelle Zusammenarbeit sind in vielen Branchen in den Mittelpunkt gerückt und haben die Flexibilität an vielen Arbeitsplätzen gestärkt. Dies hat neue Arbeitsmodelle ermöglicht, aber auch neue Probleme aufgeworfen. Zum Beispiel kann das Angebot von Homeoffice dazu führen, dass die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen. Das kann zu einer Überlastung der Arbeitnehmer*innen führen. Darüber hinaus ist es für Betriebsrät*innen – sofern vorhanden – schwieriger, auch im Homeoffice gute Arbeitsbedingungen durchzusetzen, sei es hinsichtlich der Ausstattung aber auch bezüglich einer Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit.
Die soziale Dimension der Arbeitsmarkttransformation
Darüber hinaus bringt auch die soziale Dimension der Arbeitsmarkttransformation viele Herausforderungen mit sich. Darunter die Frage nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, Beteiligung der Arbeiter*innen an Unternehmensgewinnen und die Forderung einer echten Ausbildungsplatzgarantie. Wer nicht ausbildet, muss zahlen. Wer Fachkräfte will, aber keine Nachwuchskräfte ausbildet, predigt Wasser und trinkt Wein. Hierbei gilt aber nicht, dass andere ältere Arbeitnehmer* innen vernachlässigt werden sollten. Im Gegenteil: Nicht nur junge Menschen profitieren von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Lebenslanges Lernen, das Recht auf Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie das Recht auf Bildungsurlaub in allen Unternehmensformen gehören für uns selbstverständlich zu einem demokratischen Verständnis von Arbeit.
Sicher hast du auch schon davon gehört: neue Arbeitszeitmodelle sind in aller Munde. Ob Gleitzeit, 4-Tage-Woche, Job-Sharing, verkürzte Vollzeit oder mobiles Arbeiten. Die Vereinbarkeit von familiären, beruflichen und privaten Interessen ist für die Generation Z wichtig. Dabei gilt jedoch, die Interessen der Arbeitnehmer*innen zu schützen – zum Beispiel vor dem Anspruch ständiger Erreichbarkeit. Eine präzise und arbeitnehmer*innenfreundliche Arbeitszeiterfassung ist also wichtiger denn je, um die Work-Life-Balance tatsächlich zu garantieren. Dabei gilt natürlich, dass manche Branchen den Umstieg auf flexible Arbeitszeitmodelle deutlich schwerer haben als andere. Oft wird gar behauptet, auf dem Bau, im Krankenhaus oder in der Kinderbetreuung sei es überhaupt nicht möglich. Zugegeben: Hier kann es mitunter knifflig werden. Aber auch hier gibt es bereits einige gute Beispiele.
Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass vor allem junge Menschen häufig sachgrundlos befristet angestellt sind. Immer noch! Damit muss endlich Schluss sein. Maßnahmen wie die Entlassung von Lehrkräften während der Sommerferien betreffen natürlich nicht nur junge Lehrkräfte, aber sie verhindern die Aussicht auf eine stabile Zukunft. Leider ist das nicht das einzige Beispiel dafür, wie Unternehmen junge Arbeitnehmer*innen über den Tisch ziehen. Unbezahlte Praktika ohne klare Anschlussperspektive sind für Viele nach wie vor Realität. Auch hier sagen wir klar: Arbeit ist Arbeit und gehört vernünftig bezahlt.
Einige dieser Herausforderungen sind mit dem viel beschworenen Fachkräftemangel verbunden. Oftmals verbergen sich hinter dem beklagten Fachkräftemangel andere Ursachen wie beispielsweise sehr unattraktive Arbeitsbedingungen, die mangelnde Bereitschaft der Unternehmen zur Ausbildung oder auch der Unwille, sich auf die Bedürfnisse junger Menschen einzulassen – und das in einer Zeit, in dem der Arbeitgeber*innenmarkt sich in Richtung eines Arbeitnehmer*innenmarkts verschiebt. In anderen Fällen gibt es schlichtweg zu wenig Arbeitnehmer*innen. Eine mögliche Lösung dafür ist die Arbeitsmarktmigration.
In Deutschland und anderen Ländern gibt es Menschen, die arbeiten möchten, aber aufgrund bürokratischer Hürden oder rechtlicher Einschränkungen keine Arbeitsmöglichkeiten erhalten. Gleichzeitig sind zugewanderte und ausländische Arbeitskräfte oft gezwungen, in prekären und nicht angemeldeten Arbeitsverhältnissen tätig zu werden und unterliegen in diesem Zusammenhang unternehmerischer Ausbeutung. Das liegt auch daran, dass ausländische Abschlüsse oft sehr langsam oder gar nicht anerkannt werden. Eine echte “lose-lose-Situation“. Das können wir uns nicht leisten.
Die Transformation der Arbeitswelt wird noch einiges von uns fordern. Diese Herausforderungen verdeutlichen, dass die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt nicht nur wirtschaftliche und technologische Aspekte betreffen, sondern auch dringende soziale Gerechtigkeitsfragen aufwerfen, die angegangen werden müssen. Die Generation Z ist in einer selbstbewussten Position gegenüber ihren Arbeitgeber*innen. Aber sie sind auch mit einem jahrzehntelangen Investitionsstau, Fachkräftemangel und mit einer Vielzahl von Krisen konfrontiert. Das Klischee #DieserJungenLeute erfüllt sich also mal wieder nicht. Damit die Transformation gelingt, braucht es aber alle.
Insgesamt erfordert die Analyse der Transformation des Arbeitsmarktes eine ganzheitliche Betrachtung, die die Wechselwirkungen zwischen technologischen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren berücksichtigt. Nur so können geeignete Strategien entwickelt werden, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen und eine gerechtere und nachhaltigere Arbeitswelt zu schaffen.
Über die Autor*innen:
Lea (23) freut sich gerade über ihre neue Stelle.
Maxi (24) feiert die Möglichkeit, bis zu zweimal in der Woche aus dem Homeoffice zu arbeiten, findet aber seine 41-Stunden-Woche nicht so toll.