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NRW Jusos – Beitrag

18. Februar 2022

Hanau niemals vergessen – Erinnern heißt kämpfen – kämpfen heißt aktiv verändern.

Am 19.02.2022 jährt sich zum zweiten Mal der rassistische Mordanschlag von Hanau. An diesem Tag wurden Ferhat Unvar, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Gökhan Gültekin und Hamza Kurtović aus rassistischen Motiven aus dem Leben gerissen. Der Anschlag hat deutlich gemacht, dass bestehende rassistische Verhältnisse eine stetige Gefahr für rassifizierte Menschen in Deutschland darstellen.

Man hätte glauben können, dass mit dem rassistischen Anschlag der „echte“ Kampf gegen Rechtsextremist*innen eingeleitet wird – man hätte glauben können, dass die Anhäufung organisierter rechtsextremistischer Gewalttaten nun endlich zu einem institutionellen Umdenken führen würde und anerkannt wird, dass die wahre Gefahr für unsere Gesellschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt von rechts ausgeht. Zur bitteren Wahrheit gehört allerdings, dass diese Eingeständnisse und die daraus resultierenden Handlungen nur sehr zögerlich und schwach erfolgt sind.

Es gab natürlich eine große Welle von Solidaritätsbekundungen und Forderungen nach einer konsequenten Aufklärung, die aus politischen Parteien und der Medienlandschaft entsprangen – diese hielten allerdings nicht lange an. Was aber blieb war die Willenskraft der hinterbliebenen Familien und Freund*innen, eine konsequente Aufarbeitung der langen Kette behördlichen Versagens anzugehen. Durch die selbständige Organisation und Kollektivierung ihrer eigenen Ressourcen, gründeten die betroffenen Familien mehrere Initiativen, wie die Initiative 19.Februar Hanau oder die Bildungsinitiative Ferhat Unvar, mit denen sie aktiv anklagen, Gerechtigkeit fordern, verändern und das Gedenken an ihre ermordeten Familienmitglieder aufrechterhalten.

Hanau betrifft uns alle – aber nicht gleichermaßen

Es sind also vor allem die betroffenen Familien, BIPoC und nur wenige Mitglieder der sogenannten Dominanzgesellschaft, die das Gedenken an die Ermordeten kontinuierlich aufrechterhalten und den Kampf für eine antirassistische Gesellschaft aktiv führen. Dabei betrifft Hanau uns doch alle gleich? Dass diese Aussage nicht der Realität entspricht, ist damit zu bestärken, dass bereits vor und auch nach dem Anschlag rassifizierte Menschen aufgrund zugeschriebener Identitätsmerkmale in ständiger Angst leben, man könne sie aus rassistischen Motiven aus dem Leben reißen und weiße – also nichtbetroffene Menschen – mit dieser Art von Angst nicht konfrontiert sind. Es trifft uns also nicht alle gleichermaßen, jedoch liegt die Verantwortung, den strukturellen und institutionellen Rassismus zu bekämpfen, bei uns allen und sollte nicht nur auf den Schultern von rassifizierten Menschen liegen.

Die Anschlagsziele von Hanau waren Lokalitäten, wie die Shisha-Bar, die einen Safe Space für rassifizierte Menschen bieten. Wir beobachten allerdings auch, dass die rassistische Kriminalisierung dieser Schutzräume dazu dient, unnötige Razzien durchzuführen. Spätestens seit Hanau wissen wir, dass diese Art der Kriminalisierung tödlich enden kann. Eine Anordnung der örtlichen sogenannten Sicherheitsbehörden veranlasste die Schließung des Notausgangs, damit Gäst*innen bei Polizeikontrollen nicht fliehen können. Wäre dieser Notausgang am Abend des 19. Februar 2020 nicht zugesperrt gewesen, dann hätten es Gäst*innen womöglich aus der Shisha-Bar geschafft. Auch der Umgang mit betroffenen Familien seitens der sogenannten Sicherheitsbehörden unterstreicht die behördliche Mitschuld und reiht sich in die lange Kette des Versagens ein. Diese lange Kette des Versagens kann als Symbolik – also Abbild – des staatlichen Versagens betrachtet werden. Sie steht für die jahrelange Anwendung der Hufeisentheorie und somit der Unterschätzung rassistischer und rechtsextremer Tendenzen innerhalb staatlicher Institutionen. Für uns alle gilt es, diese Verhältnisse zu bekämpfen und die Kette des Versagens aufzuarbeiten.

„Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst.“

Ferhat Unvar, 2015

Wie wir das Gedenken aufrechterhalten

Wir dürfen nicht zulassen, dass der rechtsterroristische Anschlag von Hanau in Vergessenheit gerät – dass er nur dann thematisiert wird, wenn wir uns dem Anschlagsdatum nähern. Die Namen der Ermordeten müssen stets in Erinnerung bleiben und eine Mahnung für all die Menschen sein, die nicht verstanden haben und nicht gewillt sind zu verstehen, was Rassismus anrichten kann. Gedenken ist eine Praxis, die nicht punktuell erfolgt, sie muss kontinuierlich erfolgen, damit sie ihre Früchte trägt. Gedenken heißt erinnern und kämpfen – für ein bessere und antirassistische Gesellschaft. Das sind wir den hinterbliebenen Familien und all den Menschen, die seit Hanau in ständiger Angst leben, schuldig.

Ferhat, Gökhan, Hamza, Said, Kaloyan, Vili, Fatih, Mercedes und Sedat – wir werden erinnern, kämpfen und euch niemals vergessen!


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