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NRW Jusos – Magazin

24. August 2023

Überall Krise?! – über Solidarität in Zeiten multipler Krisen

Beitrag aus unserem Verbandsmagazin August 2023

Krise um Krise erschüttern seit Jahren uns und die Welt: der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, die Diktatur der Taliban in Afghanistan, das Mullah-Regime im Iran, die Coronapandemie, die Klimakatastrophe, die Energiekrise und die rasante Inflation. Die Liste an Krisen endet nie und sie wird, zumindest gefühlt, immer länger. Als Jungsozialist*innen kämpfen wir solidarisch und international für eine Gesellschaft der Freien & Gleichen – für uns war immer klar: Unser Kampf für eine bessere Welt endet nicht an Landesgrenzen!

Umso wichtiger ist es, sich folgende Fragen zu stellen: Was bedeutet diese Zeit multipler Krisen für unsere Arbeit als NRW Jusos? Wie kann dauerhafte Solidarität aussehen? Und: wo sind vielleicht auch (persönliche) Grenzen von Aufmerksamkeit, Anteilnahme, Energie und Engagement?

Der Kapitalismus als Dauerkrise

Um tatsächlich einen solidarischen Kampf gegen diese multiplen Krisen zu führen, müssen wir verstehen, was all diese Krisen eigentlich verbindet und zumindest mitbegründet. Für uns muss klar sein: die Dauerkrise heißt Kapitalismus!

Patriarchale Systeme, soziale Ungleichheit, struktureller Rassismus, die Klimakrise – überall hat der Kapitalismus seine Finger im Spiel! Denn ein System, das auf Ungleichheit und Ausbeutung aufbaut, wird immer Krisen produzieren. Diese Analyse ist zentral, um daraus eine systemkritische Alternative zu bilden und in unserem Kampf die richtigen Forderungen neu zu formulieren. Denn eins ist klar: wir sind solidarisch mit allen Betroffenen von Marginalisierung, Krieg und Armut. Wir sind solidarisch mit unseren Mitkämpfer*innen für eine Gesellschaft, die Menschen über Profit stellt! Für eine Gesellschaft ohne die Dauerkrise Kapitalismus.

Über den Begriff „Solidarität“

„Solidarisch, komme was wolle“ – das war nicht nur das Motto des letzten Bundeskongresses, sondern ist auch eine tiefe Grundüberzeugung für uns Jusos. Doch was bedeutet eigentlich Solidarität?

Solidarität ist das Eintreten füreinander und für die gemeinsamen Ziele. Es ist das Zusammenhalten und der bedingungslose Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung. Solidarisch sein bedeutet auch, Kämpfe zu unterstützen, die einen selbst nicht betreffen. So sind beispielsweise critical whiteness und kritische Männlichkeit fester Bestandteil unseres solidarischen Handelns.

Solidarität bedeutet auch, nicht wegzuschauen, wenn geographisch entfernt, Menschen in Ausbeutung und Not geraten oder sich gegen autoritäre Systeme stellen. Es bedeutet, sich zu informieren, andere Menschen zu sensibilisieren und innerhalb der eigenen Kapazitäten unterstützend zu wirken. Das kann beispielsweise der Besuch einer Demonstration sein oder aber Bildungsarbeit durch das Erstellen oder teilen von Beiträgen auf Social-Media. Als Internationalist*innen kämpfen wir für die Freiheit aller Menschen, denn wie Audre Lorde schon einst meinte: wir sind erst frei, wenn wir alle frei sind!

Über fortwährende Solidarität

„Seit sechs Monaten gibt es kein anderes Thema mehr für mich.“ – das sagte Daniela Sepehri, eine der in Deutschland bekanntesten Iranaktivist*innen, in einem gemeinsamen Instagram-Live-Format über die feministische Revolution im Iran mit den NRW Jusos im März 2023. Dieser Satz erinnert daran, dass, auch wenn in den Medien langanhaltende Krisen wie die im Iran durch „aktuellere“ Nachrichten verdrängt werden, die Kämpfe vor Ort weitergehen. So wird mittlerweile kaum mehr über die Situation im Iran berichtet und auch die Hinrichtungen von Freiheitskämpfer*innen durch das Mullah-Regime sind in den Hintergrund gerückt. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich auch hinsichtlich der Aufmerksamkeit zum Angriffskrieg in der Ukraine oder der Taliban-Diktatur in Afghanistan. Nach den ersten Wochen von starker Medienpräsenz und politischer Solidarität ebbt die Aufmerksamkeit schnell ab. Gerade in Zeiten von multiplen Krisen kommt fast das Gefühl auf, dass Krisen sich in der Mediengesellschaft gegenseitig ablösen und so die Kämpfe und Lebensrealitäten von Menschen in Kriegs- und Krisengebieten in Vergessenheit geraten. Dieser Realität müssen wir uns bewusst sein und Wege finden, langfristig und „komme, was wolle“, solidarisch zu sein.

Als Jungsozialist*innen und Internationalist*innen dürfen wir nicht wegschauen, nur weil eine Krise schon länger als sieben Tage anhält! Es braucht immer wieder einen Appell an uns selbst, sich zu informieren, aktiv zu bleiben und andere zu sensibilisieren. Neben der Schaffung von Begegnungsorten und dem regelmäßigen Austausch mit Aktivist*innen, bedeutet das vor allem individuelles Handeln. In unserem Gespräch hat Daniela uns dafür ein paar Tipps gegeben, was man alles, je nach eigenen Ressourcen, machen kann:

  • Aktivist*innen auf Social Media folgen
  • Lokale Initiativen besuchen und unterstützen
  • Aktiv werden auf Demonstrationen
  • Informative Beiträge in der eigenen Story reposten
  • Möglichkeit der Unterstützung (bspw. Spendensammlungen) reposten
  • Regelmäßig Artikel lesen zur selbstständigen Sensibilisierung
  • Gespräche mit Familien und Freund*innen suchen
  • Neu gelerntes weitererzählen bzw. Abgeordnete kontaktieren

Solidarität und persönliche Grenzen

„Solidarisch, komme was wolle.“ – das kann in dieser Zeit multipler Krisen und der Dauerkrise Kapitalismus eine Herausforderung sein. Denn all diese Krisen auf einmal belasten auch uns und manchmal kann es einfach zu viel werden, sich mit so vielen belastenden Realitäten auseinandersetzen.

Deshalb ist wichtig, noch diese letzte Sache über Solidarität zu sagen: Jede*r lebt Solidarität anders. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, solidarisch zu sein und Solidarität heißt nicht, die eigenen Grenzen und Kapazitäten zu überdehnen oder auch „immer dabei und überall aktiv zu sein“. Wenn es also alles einfach mal zu viel und zu belastend ist, ist es okay, Abstand zu suchen. Es ist okay, sich auch mal eine Zeit lang nicht mit einer Krise zu beschäftigen oder zu „Doomscrollen“. Es ist okay, um Hilfe zu bitten und Aufgaben abzugeben. Auch das ist nämlich Solidarität untereinander: aufeinander Acht geben und Aufgaben solidarisch zu verteilen. Denn unsere Solidarität zeigt sich nicht, indem wir unsere eigene Gesundheit riskieren, sondern in dem ehrlichen Willen, zusammenzuhalten für eine bessere Welt.

Lasst uns also gemeinsam weiterkämpfen für eine Welt der Freien und Gleichen und gegen die Dauerkrise Kapitalismus, Patriarchat und weiße Vorherrschaft – und zwar immer unter dem Motto: Hoch die internationale Solidarität!


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